Kleine Luegen erhalten die Liebe
Fraser aus tränenfeuchten Augen an. »Die perfekte Viktoria-Biskuittorte …«
Er schloss sie in die Arme. »Wow, du bist ja wirklich eine junge Mutter am Rande der Verzweiflung, nicht? Und ich möchte, dass du weißt, dass diese Viktoria-Biskuittorte das Ergebnis einer etwa dreiwöchigen Übung seitens Andrew Normantons ist. Falls ich je wieder ein Stück Viktoria-Biskuit essen muss, wird es viel zu bald sein und ist nur deine Schuld.« Sie lachte an seiner Brust, und er drückte sie noch fester an sich, und so blieben sie wahrscheinlich länger stehen, als es sich für den Wartesaal des Lancaster’schen Bahnhofes gehörte.
♥
Zu Fuß gingen sie durch die Stadt zu dem Café. Es hatte wieder zu schneien begonnen, dicke weiche Flocken, die leise hinunterschwebten und sich auf ihr Haar und ihre Mäntel legten. Lancaster sah wie ein Skiort aus: Normale Schuhe waren Moonboots gewichen, und die Leute hatten sich in ihren vielen Schichten Kleidung eine seltsame Gangart angewöhnt.
Fraser schob den Kinderwagen. Mia blickte immer wieder zu ihm hinüber und dachte, wie sympathisch es ihn machte, wie sehr er sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren schien.
»Das ist kein Einkaufswagen, Fraser; der Buggy fährt ganz einfach in die Richtung, in die du ihn schiebst.«
»Ich weiß, das hab ich schon kapiert«, meinte er. »Aber ich habe eine andere Frage: Wird Anna uns dort treffen?« Melody war noch zu sehr mit den Folgen der Scheidung beschäftigt und nicht in Stimmung für Gesellschaft, hatte sie gesagt und sich deswegen auch als Babysitter angeboten. Anna dagegen hatte sich zum Lunch mit ihnen treffen wollen.
»Nein«, antwortete Mia. »Darüber wollte ich sowieso gerade mit dir reden. Wie nicht anders zu erwarten, war sie am Telefon heute Morgen sehr seltsam. Sie wünschte mir alles Gute zum Geburtstag, aber so, als hielte ihr jemand eine Pistole an den Kopf, und als ich dann erzählte, du kämst auch herauf, wurde sie plötzlich richtig komisch und meinte, sie habe es sich anders überlegt, sie käme nicht zum Lunch. Dies sei ihr einziger freier Tag für Weihnachtseinkäufe! Das fand ich wirklich ein bisschen beleidigend. Ich muss schon sagen …«
Fraser war sehr still.
»Frase? Ist irgendetwas vorgefallen zwischen euch?«
Er tat, als hätte er sie beim ersten Mal nicht verstanden, doch Mia wusste, dass das nur gespielt war.
»Was? Nein . Nicht, dass ich wüsste jedenfalls …« Er machte eine Pause. »Aber wer weiß schon, was im Kopf dieser Frau vorgeht! Die meiste Zeit ist sie total plemplem.«
Mia fragte sich, ob dies ein guter Moment sein mochte, Fraser zu sagen, dass sie sich Sorgen machte, weil sie den Eindruck hatte, dass Anna sich immer mehr von ihr zurückzog. Doch dann fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass dies eines der Gesprächsthemen war – wie Vorhänge, Teppiche oder Kissen –, die der männlichen Spezies weitgehend unverständlich waren.
Und so spazierten sie weiter durch die Stadt, die Gesichterschon fast taub vor Kälte, und beschlossen, bei Marks & Spencer hereinzuschauen, um alles Nötige für Frasers Scrabble-Abend zu besorgen.
Wenig später stand er in der Süßwaren-Abteilung und besah sich ein Päckchen Belgische Pralinen und ein paar Kekse mit Schokoladensplittern.
»Also werde ich heute Abend zum Haus einer Frau namens Jean Harp gehen und mit einer Gruppe liebenswerter alter Damen Scrabble spielen«, sagte er, als könnte der Versuch, es in Worte zu fassen, dieses Unternehmen normaler machen.
»Sei froh darüber! Ich muss zum Essen in ein richtig elegantes Restaurant und dort drei Stunden lang mit meinem Freund herumsitzen. Ich bin schon ganz krank vor Neid auf dich. Was ich nicht alles tun würde für eine Partie Scrabble und ein paar leckere Belgische Pralinen!«
Falls Fraser über Mias mangelnde Begeisterung erfreut war, bemühte er sich zumindest, es sich nicht anmerken zu lassen.
»Du redest, als handelte es sich um eine lästige Pflicht. Du bist es, die sich glücklich schätzen kann: Dinner bei Kerzenlicht, das Klimpern eines Klaviers im Hintergrund, in deine Antipasti weinen …«
Sie schlug ihn mit einem Päckchen Bonbons auf den Arm.
»Ich scherze nur«, meinte er. »Es wird sicher nett werden.«
»Oh ja«, sagte Mia entschieden. »Es wird sehr, SEHR nett werden.«
Doch je mehr Zeit sie mit Fraser verbrachte, desto mehr wünschte sie, sie könnte einfach nur mit ihm ihren Geburtstag feiern, gleich hier im Restaurant von Marks und Spencer. Es wäre
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