Kleine Luegen erhalten die Liebe
nüchtern wird und sich zu viele Gedanken darüber machen kann, winkt er ein Taxi heran und bittet den Fahrer, bei einem rund um die Uhr geöffneten Spirituosenladen anzuhalten, um schnell noch eine Flasche Wein zu kaufen.
»Kentish Town«, sagt er dann. »Leighton Road.«
Noch im Taxi öffnet er den Wein und trinkt einen Schluck davon, sodass er noch betrunken genug ist, um seinen Verstand nicht zu benutzen, als er vor Karens Haustür steht. Er lebt im Moment .
Karen scheint eine Ewigkeit zu brauchen, um die Tür zu öffnen, und deshalb klingelt er erneut und lässt den Finger auf der Klingel liegen.
Schließlich geht die Tür auf.
»Überraschung!«, sagt Fraser und spaziert geradewegs hinein. »Später Besuch! Weinlieferung … Da die Nacht noch jung ist, dachte ich, wir könnten vielleicht noch ein Glas zusammen trinken.«
Er zieht seine Jacke aus und lässt sie auf den Boden fallen.
»Wie geht es dir, Liebling? Gib Fraser einen Kuss!«, sagt er und tritt näher, doch Karen bleibt steif an der Wand stehen und hält immer noch die Tür geöffnet.
»Ähm … Fraser.« Als er die Hände nach ihr ausstreckt, ergreift sie zuerst die eine, dann die andere, und schiebt sie sanft zurück.
»Oh, hallo …«
Fraser dreht sich um und sieht Joshi in der Diele stehen, in Socken und Chinos, als lebte er hier, als wäre er bei Karen eingezogen .
Er tritt vor und berührt Fraser gönnerhaft am Arm. »Wie geht’s dir, altes Haus? Mann, du siehst aus, als hättest du einen anstrengenden Abend hinter dir! Möchtest du eine Tasse Tee? Soll ich Wasser aufsetzen, Karen?«
Fraser spürt, wie er schlagartig nüchtern wird. »Nein, danke. Ich, ähm … es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du Besuch hattest«, sagt er und hebt schnell seine Jacke auf, bevor er zur Tür hinausgeht.
»Kein Problem, altes Haus«, meint Joshi, bevor er ihm buchstäblich die Tür vor der Nase zumacht. Fraser sieht gerade noch, wie Karen, die hinter Joshi steht, die Hände vor den Mund schlägt.
♥
Als Fraser Karens gut beleuchtete Straße hinuntergeht, ist er schon nüchtern genug, dass es ihn schaudert. Zu allem Übel beginnt es auch noch zu regnen – nein, zu hageln.
Plötzlich hört er Schritte hinter sich, die immer schneller und lauter werden. Er dreht sich um …
»Fraser!«
… und sieht dort Karen in ihrem weiten roten Mantel und hochhackigen Stiefeln stehen. Ihr leicht zerzaustes Haar umrahmt ihr Gesicht wie ein Glorienschein im Licht der Straßenlaterne, und sie hält etwas in ihrer Hand.
»Du hast dein Telefon vergessen«, sagt sie atemlos. »Es ist aus deiner Jacke gefallen, als du sie ausgezogen hast.«
»Oh, danke.« Fraser nimmt es ihr mit spitzen Fingern ab, als könnte es ihn durch einen Stromschlag töten oder so etwas in der Art. »Hör zu, es tut mir leid, ich wollte nicht …«
Karen schüttelt den Kopf. »Kein Problem«, erwidert sie. »Joshi ist derzeit eigentlich nur ein guter Freund – wir gehen vielleicht als Partner zu dem Workshop. Allerdings habe ich das Gefühl, dass er mehr will … was ein schönes Gefühl ist, Fraser, wenn ich ehrlich sein soll. Sich wirklich begehrt zu fühlen, meine ich.«
Fraser lächelt. »Das ist gut«, sagt er, und es ist ihm ernst, auch wenn es sich ein bisschen lahm anhört. »Es tut mir trotzdem leid, dass ich einfach so hereingeschneit bin.«
Karen zuckt mit den Schultern. »Na ja, das habe ich auch bei dir getan, also mach dir keine Sorgen!«, meint sie. »Obwohl das etwas anderes war.«
»Ja, ich weiß«, sagt Fraser.
Urplötzlich hört es auf zu hageln, sodass jetzt vollkommene Stille auf der Straße herrscht.
»Ich habe deine Textnachricht gelesen, Fraser«, bricht Karen das Schweigen.
»Welche Textnachricht?«
»Die du Mia geschrieben hast. Es tut mir leid, doch sie war auf dem Display, als ich dein Handy aufhob, sodass ich gar nicht anders konnte.«
Er sieht sie mit ausdrucksloser Miene an.
»Ich rede von der SMS, in der du schreibst, dass du sie liebst. Sie schon immer geliebt hast.«
Verdammt! Hatte er sie etwa abgeschickt?
»Kannst du etwas für mich tun, Fraser? Mir etwas versprechen?«
Fraser zögert, bevor er nickt, weil er sich nicht sicher ist, ob er im Augenblick Versprechungen machen soll.
»Ich akzeptiere, dass du mich nicht liebst und es auch niemals tun wirst. Und ich akzeptiere auch, dass du wahrscheinlich Mia liebst. Aber spiel nicht nur mit ihr, okay? Das hast du mit mir getan, doch tu es bitte nicht bei ihr …«
»Wie meinst
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