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Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren

Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren

Titel: Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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ein bisschen dafür schämt. Dann bereue ich übrigens zeitweise, dass ich falsch trainiere, dass ich mich viel zu selten massieren lasse und dass meine Beine dauernd übersäuert sind.
    Jeder kann sich doch an die Szene aus dem Film ›Das Schweigen der Lämmer‹ erinnern, als Jodie Forster alias Agent Starling schnappatmend durch den stockdunklen Keller des perversen Serienmörders tapert, und der mit einem Nachtsichtgerät hinter ihr her. Dann hebt er seinen Revolver und spannt den Hahn, aber dieses leise
klick!
in ihrem Rücken verklickert der wackeren FB I-Frau , was hinter ihr abgeht, sie fährt herum und knallt den Kerl ab. Dieses leise
klick!
aus dem Nichts, lieber Leser, hat an besagten manchen Tagen (an anderen komischer- bzw. glücklicherweise überhaupt nicht) seine Entsprechung, wenn in meinem Rückenjemand einen Gang hochschaltet. Man hört Radfahrer nämlich nicht kommen, und wenn der hinter einem sich entschließt zu überholen, schaltet er meistens hoch – es sei denn, es handelt sich um einen richtigen Crack, der schnell genug unterwegs ist, um auch ohne vorbeizuziehen. Dieses
klick!
hören, selber hochschalten und wie ein Idiot lostreten, vor allem, wenn es bergauf geht, gehört mitunter als allerdrolligste zu meinen pavianesken Revierverteidigungs-Eigenschaften.
    Hat der andere dann doch mehr Kraft in den Beinen, kann man sich damit trösten, bestimmt schon viel länger als er unterwegs zu sein, mehr Liegestütze zu können, bei Frauen erfolgreicher oder gebildeter zu sein – und mehr Geld zu verdienen sowieso. Überhaupt braucht sich so ein Typ nichts einzubilden, weil er ja mehr trainiert und weniger schlemmt; wenn es nicht so wäre, dann könnte man ja schließlich selber ...
    Noch unangenehmer ist es allerdings, wenn eine Patt-Situation eintritt, weil damit plötzlich über längere Zeit ein Zeuge der eigenen zunehmenden Schwäche anwesend ist. Sich an einen fremden Fahrer zu hängen,
an seinem Hinterrad zu lutschen
, wie es heißt, kommt für meine Begriffe beinahe einem Eingriff in die Intimsphäre desjenigen gleich. Ich würde das nie tun, und ich mag es naturgemäß auch umgekehrt nicht. Das Problem entsteht aber beispielsweise, wenn ich einen Fahrer überholt habe und er an mir kleben bleibt, weil ihm sein Ehrgeiz verbietet, mich ziehen zu lassen. Manche hängen sich auch nur an einen anderen, weil sie Energie sparen wollen. Man muss schon deutlich stärker sein als der andere, wenn man ihn auf flacher Strecke loswerden will, denn im Windschatten benötigt man Berechnungen findiger Radsportwissenschaftler zufolge bis zu einem Drittelweniger Energie als der Vordermann. Ich warte dann auf die nächste Abzweigung – oder den nächstbesten Anstieg, wo sich die Sache meist rasch klärt. Wenn nicht, wird es übel. Einen anderen Fahrer bei ansteigender Strecke nicht abschütteln zu können, obwohl ich mich dem eigenen Limit nähere, das erzeugt in mir ein Gefühlsgemisch aus der bereits erwähnten Scham plus einsetzender Verzweiflung, in welchem sich Verhaltensbiologie und Kulturanthropologie verzahnen. Zumal, wenn der andere schließlich Oberwasser bekommt und beginnt, um die Wette zu fahren. Ich lege eigentlich gar keinen Wert auf dieses muskuläre Techtelmechtel, doch etwas in mir will diesen Kerl ums Verrecken nicht passieren lassen. Theoretisch könnte man sich anlächeln, das Tempo drosseln und seiner Wege fahren, aber theoretisch könnte man auch Weltfrieden haben. Praktisch ist es so, dass einer nachgeben muss. Ich möchte dieses Phänomen das
Savannenerbe
nennen. Stell dir vor, denke ich in den noch durchbluteten Reserveaggregaten meines Großhirns, während mein Herz über 18 0-mal in der Minute schlägt, die genetische Grundlage dafür, dass du dich momentan zum Affen machst, entstand vor Millionen Jahren. Dann wirst du’s ja nicht gerade heute abstellen können.
    Ich bin im Anschluss an ein solches Spielchen schon einmal ohnmächtig vom Rad gekippt. Das heißt, ich konnte gerade noch anhalten, bevor kurzzeitig das Himmelslicht ausging. Da war allerdings einiges an Restalkohol im Spiel, und mein Pulsmesser hatte mich darauf hingewiesen, dass es nicht lange gut gehen würde. Immerhin: Ich hatte den Typen kurzzeitig abgehängt.
    Wie? Kein Applaus? Nur Stirnrunzeln? Ts, ts, ts – –

Zweifel
oder:
Was soll der Unsinn?
    Frauen ab spätestens vierzig fangen an, sich mit Esoterik zu beschäftigen, sie treiben Yoga, Ayurveda oder belegen irgendwelche Volkshochschulkurse, Männer

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