Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren
redeten über Dinge wie Marke, Schaltung, Rahmen, Gesamtgewicht und signalisierten mir mit ihren Blicken, dass ich ja wohl mehr oder weniger auf Schrott unterwegs sei. Mir ist es aber vollkommen gleichgültig, welche Marke ich fahre oder welche Schaltung ich besitze. Je schlechter das Rad, denke ich mir, desto höher der Trainingseffekt.Ich besitze nur irgendein Rennrad und irgendein Mountainbike, Letzteres zwar mit Federgabel und hydraulischer Bremse, das aber nur, weil es in dem qualitativ gehobenen Radgeschäft, welches ich wegen des netten und hilfsbereiten Besitzers frequentiere, keine Räder mehr ohne diese neuartige Basisausstattung gibt. Dort bestaune ich gelegentlich die herumstehenden Nobel-Rennmaschinen, die ganz so aussehen, als könnte ich mit ihnen entscheidende Sekunden gegen mich herausholen. Ach was, als würden sie von alleine fahren. Was soll ich aber mit einem Rad, das ich nicht aus den Augen lassen darf und nicht mal in den Keller stellen kann, es sei denn, ich renoviere ihn vorher und bringe eine Stahltür an? Außerdem sollte der Mensch seinem Leistungsvermögen angemessenes Material benutzen; man kann nämlich nicht nur
overdressed
sein, sondern auch überausgestattet. Irgendein Zausel auf einer 500 0-Euro -Maschine wirkt ungefähr so einleuchtend wie Flavio Briatore auf Heidi Klum.
Apropos: Keineswegs überflüssig und nach meinem Dafürhalten weit wichtiger als das »Material« ist die Massage der Beine. Auf Dauer ist es auch nicht billig – eine Stunde kostet im Schnitt 50 Euro –, und nicht jeder Masseur taugt etwas. Aber die Wirkung ist unglaublich: Nach einer guten Massage kann ich gleich einen oder manchmal sogar zwei Gänge höher treten.
Hupdiskurse
oder:
Wem gehört die Straße?
Neulich stoppte mich eine Polizeistreife, die sich aus welchen Gründen auch immer vor die Tore Münchens verirrt hatte, und entfachte eine Kurzdiskussion des Inhalts, ich möge gefälligst den Radweg benutzen, was ich mit dem Hinweis zu kontern versuchte, dass auf diesem Weg Ausflugsradler unterwegs seien, zum Teil mit Kindern, für die ich zweifellos eine Gefährdung darstellen würde und es also für sämtliche Beteiligten am wenigsten riskant sei, wenn ich auf der Straße bliebe, wo ich allenfalls mich selber gefährdete.
Dann solle ich halt langsamer fahren.
Dazu habe ich mir aber kein Rennrad gekauft, entgegnete ich. Außerdem lägen auf solchen Wegen oft allerlei Steine umher, und die seien Gift für meine Reifen.
Das sei mein Problem.
Es liegt im Wesen einer solchen Konstellation, dass der nichtuniformierte Diskutant irgendwann die Lust am Zwiegespräch verliert, scheinbar einsichtig der Aufforderung gehorcht und einen Kilometer weiter wieder auf die Straße wechselt. So tat auch ich, und zwar ohne jedes schlechte Gewissen, weil die Anweisung ja wirklich Unsinn war.
Wenngleich sie den gültigen Vorschriften folgte. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) formuliert in dieser Frage so präzise wie nicht auf Problemhöhe: Radfahrer »haben rechte Radwege zu benutzen; linke Radwege dürfen sie nur benutzen, wenn diese für die Gegenrichtung freigegeben sind. Siehaben ferner rechte Seitenstreifen zu benutzen, wenn keine Radwege vorhanden sind und Fußgänger nicht behindert werden.«
Die gute Nachricht für etwas schneller unterwegs befindliche Pedaleure lautet also: Auf Straßen ohne Radweg darf gefahren werden,
sofern es nicht explizit verboten ist
– mögen vorbeirauschende Bleifüße hupen, was das Zeug hält. Achtzig Stundenkilometer fahren dürfen bedeutet nicht, es zu müssen. Taucht aber ein Radweg auf, hat man theoretisch auf ihn überzuwechseln.
Diese Regelung arbeitet freilich mit einem Radfahrerbild, das den sportlichen Vertreter jener Subspezies nicht einschließt. Was ist zum Beispiel, wenn es sich bei dem so genannten Radweg lediglich um einen halbierten Bürgersteig handelt? Und welche Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten auf Radwegen, zum Beispiel eben auf halbierten Bürgersteigen? Und was, wenn die alte Frau dort vorn jetzt plötzlich abbiegt?
Das Rennrad ist einfach zu schnell, um von Seiten der Ordnungsmacht wie ein normales behandelt werden zu dürfen. Es gehört nicht auf Radwege. Theoretisch dürfte man mit einem Rennrad übrigens überhaupt nicht fahren, weil kein Licht daran ist und nach den allgemeinen Vorschriften ohne Licht nicht am Verkehr teilgenommen werden darf, denn es könnten ja Nebel oder ein schweres Unwetter kommen und Beleuchtung erforderlich machen.
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