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Kleine Portionen

Kleine Portionen

Titel: Kleine Portionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moitzi
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Ableben in der Hölle schmoren werde. Wenn schon nicht wegen meiner Gedanken und Meinungen, dann zumindest wegen meiner sexuellen Neigungen. Und Aktivitäten, die für ihre Art ja gleich noch viel schlimmer sind.
    Ich flirte dann doch nicht. Ich bin so gut wie verheiratet, Jungs, tut mir Leid für euch.
    Im Büro recherchiere ich den Namen der Sekte auf wikipedia. Mormonen, aha. Mormonen, aber schnuckelig wie nur was. Na ja – niemand ist perfekt.

Vorstellungsgespräch
     
    Ich klopfte an die Bürotür, nachdem mich einer meiner zukünftigen Kollegen einen breiten Flur entlang geführt hatte. Johnny öffnete. Er war gro ß , um die vierzig, und hatte mindestens 50 Kilo Übergewicht. Bevor er meine Hand schüttelte, wischte er sich mit einem rosaroten Taschentuch Schweißtropfen von der Stirn. Seine Finger glichen so fetten Würsten, dass man Angst hatte, sie könnten jeden Moment platzen. »Hallo«, schnaufte er, als ob ihn das Türöffnen völlig erschöpft hätte. »Mein Name ist Johnny.«
    Er war fast kahl, mit einigen längeren, schwarzen und verschwitzten Strähnen, die er von hinten nach vorne gekämmt hatte. Seine Lippen waren voll, die gro ß e, rote Nase übersäten riesige Poren, die eine lebenslange Vorliebe für Single Malt Whiskey verrieten. Er trug ein weißes Hemd, das sich bis zum Äußersten über einen riesigen Bauch spannte. Auf Nabelhöhe begann eine blaue Hose, die die untere Hälfte des Bauches beinhaltete. Da er sie viel zu hoch hinaufgezogen hatte, sah seine Hose zu kurz aus. Wegen seiner dicken Oberschenkel hatte sein Gang etwas von einer watschelnden Ente.
    Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und wuchtete sich seitwärts auf einen stöhnenden Stuhl. Das Zimmer war dunkel und vollgestopft mit alten, staubigen Holzmöbeln. Papiere und Ordner quollen unordentlich aus offenen Schubladen heraus und stapelten sich auf zwei Schreibtischen, die vor dem Fenster standen. Spärliches Tageslicht kam schräg durch die schmalen Schlitze der geschlossenen Fensterläden. Staubwolken schwebten langsam in den Strahlen aufwärts. Als meine Augen sich auf das Halbdunkel des Raumes eingestellt hatten, entdeckte ich eine kleine, dicke Frau, die hinter dem zweiten Schreibtisch saß.
    »Frau Elsa, meine Sekretärin«, keuchte Johnny und winkte vage in ihre Richtung. Ich grüßte sie höflich. Sie nickte nur und schob ihre Nase wieder in die Papiere, an denen sie gearbeitet hatte. Sie hatte kurze, graue Haare und trug eine Brille, die ihre Augen ganz groß aussehen ließ. Als sie desinteressiert und ohne zu lächeln aufgeblickt hatte, hatte sie wie eine uralte, staubige und trockene Eule gewirkt.
    Ich wusste noch nicht, dass sie niemals lächelte. Eine desillusionierte Frau, die alles und noch mehr gesehen hatte, das war sie; nichts konnte ihr irgendeine Gefühlsregung entlocken. Mit ihrem großformatigen, zwanzigjährigen Sohn lebte sie in einer Wohnung im dritten Stock des Barockschlosses. Als Johnny das erwähnte, rief ich aus: »Meine Güte, das muss ja toll sein, hier zu leben. Was für eine wunderbare Umgebung, nicht wahr? Sind Sie da nicht andauernd vor Ehrfurcht halb erstarrt?«
    Sie sah mich ausdruckslos an und antwortete langsam, trocken, sachlich-nüchtern: »Geh, Ehrfurcht? Das seh’ ich ja alles gar nimmer!«

Zwei Putzfrauen
     
    Johnny führte mich schnaufend durch die Kaiserappartements im ersten Stock. Er stellte mich Frau Helene vor, der Putzfrau, die wir in einem der Schauräume vorfanden; sie thronte auf einer Leiter und reinigte gerade einen Kristallluster. Touristen aus aller Welt schlenderten um uns herum und bestaunten die vergoldete Einrichtung, die Wandteppiche, die stilvollen Möbel aus dem 19. Jahrhundert. Nichtsdestoweniger trällerte Frau Helene eine Opernarie vor sich hin. Sie begrüßte uns keck. Mindestens in den späten Fünfzigern, mit unnatürlich schwarzen Haaren, die sie hoch aufgetürmt und mit viel Lack zurechtgesprüht hatte, trug sie eine zartrosa Mantelschürze und rosa Stöckelschuhe. Ihr Gesicht war in verschiedenen, auffälligen Makeupschattierungen bemalt. Selbst von da, wo ich stand, konnte ich ihr schweres, großzügig aufgetragenes Parfüm riechen. Sie strahlte uns mit einem sonderbaren Schmollmundlächeln an. Gleichzeitig winkte sie mit ihrem Staubtuch und trällerte fröhlich: »Ja hallo, Johnny. Und du, mein Schatz, was ist dein niedlicher, kleiner Name?«
    Einige Touristen drehten ihre Köpfe und sahen sie vorwurfsvoll an. Ich flüsterte meinen Namen.

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