Kleine Portionen
Champagner und einen Joint in die Hand gedrückt zu bekommen. Als wir alle gemeinsam die Wohnung verließen und zu einer nahe gelegenen Disko latschten, waren wir alle benebelt von verschiedenen Substanzen, kreischten durcheinander und scherzten und fühlten uns ungeheuer hip und jung und lebendig.
Was vom restlichen Abend übrigbleibt, sind Erinnerungsfetzen. Wir erreichten die Disko um Mitternacht. Champagner wurde verteilt, Gläser klirrten, Fremde umarmten mich. Wir verbrachten die Nacht damit, zu tanzen und zu trinken und noch mehr Kokain zu schnüffeln und dann noch mehr zu trinken. Wir waren nicht einmal diskret, hielten einander ganz offen mit den Fingerspitzen weißes Pulver hin. Der Türsteher warnte uns zweimal: »Hört auf mit dem Scheiß! Wenn ihr Drogen nehmen wollt, geht aufs Klo wie alle anderen!« Wir lachten ihn bloß aus.
Als wir endlich die Disko verließen, hatte Grégoire seine Schuhe ausgezogen und tanzte barfuß auf der Straße herum, Sandra wankte, und alle drei lachten wir und blieben immer wieder stehen, um uns zu umarmen und zu küssen.
Die Nacht fühlte sich wunderbar an und roch nach Freiheit. Auch wenn es nur eine relative, voreingenommene und gefälschte Freiheit war.
Der Nächste, bitte!
Ich sollte mich eigentlich schämen, weil ich von den Männern, die ich mir nach meinem Debakel mit Andrzej ins Bett geholt habe, keinen einzigen mit Namen nennen kann. Das Ganze nimmt sich noch viel peinlicher aus, als ich damit nicht bloß One-Night-Stands meine – da darf man getrost den Namen vergessen, vorausgesetzt, man hat ihn überhaupt gekannt. Nein, ich rede hier über Männer, mit denen ich manchmal Tage, ja sogar Wochen zusammen war. Männer, denen ich nachgelaufen bin. Männer, an deren Berufe ich mich erinnere, an deren Gesichter ich mich erinnere, an deren Körper ich mich erinnere. Männer, von denen ich träumte, solange sie unerreichbar schienen; Männer, die Unbehagen in mir hervorriefen, sobald wir zu viel Zeit zusammen verbrachten.
Ihre Geschichten sind noch da. Nur ihre Namen sind mir unbeabsichtigt entfallen.
Da war zum Beispiel dieser Friseur kroatischer Abstammung. Eine atemberaubende Gottesgabe aus dem Balkan, mit dichten, dunklen Haaren, einem hübschen, gemeißelten Gesicht, Augen wie Kohlenstücken, einem behaarten, umwerfenden Körper. Ich traf ihn im H.Y.P.E.-Clubbing im U4. Ich erinnere mich an den Namen des Clubbings, aber nicht an den Namen des jungen Mannes.
Die angesagtesten und schönsten Männer und Frauen von ganz Wien drängten sich zum H.Y.P.E. ins U4. Auf der Tanzfläche roch es stark nach »Eau d’Issey« und »Obsession« und »Egoïste« und »Kenzo« For Men . Irgendwann tanzte ich neben diesem gut aussehenden Kerl, der ganz in Schwarz gekleidet war. Er sah düster, gefährlich, hetero und hei ß aus. Der Platz war überfüllt, ich bewegte mich zur Musik, fühlte seine Anwesenheit an meiner Seite, roch seinen Moschusduft mit einem Hauch von Schweiß. Ein Seitenblick verriet mir, dass er mich beobachtete. Allmählich kam er näher und näher, bis seine Hand meinen Oberschenkel berührte. Sofort hatte ich einen Steifen. Der Druck seiner Hand wurde fester und offensichtlicher, schaltete meine Hirnfunktionen aus und lieferte mich dem Begehren aus. Dann lächelte er und streichelte meinen Oberschenkel wieder, bevor er mir seinen Namen ins Ohr brüllte. Den Namen, den ich seither vergessen habe.
Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und trafen uns eine Woche später. Wir küssten uns, wir gingen ins Bett, wir quatschten ein wenig. Ein paar Wochen später langweilte er mich, und ich rief: »Der Nächste, bitte!«
Ein anderer Friseur nahm seinen Platz ein. Ein anderer junger, netter Bursche. Er war achtzehn oder neunzehn, süß und sinnlich und komplett in mich verliebt. Wir trafen uns ein paar Mal, vögelten viel, redeten aber wenig, weil mir nie was Interessantes einfiel. Ich langweilte mich, rief: »Der Nächste, bitte!«
Ich ging mit meinem guten Freund Karl ins Bett.
»Der Nächste, bitte!«
Ich schlief wieder mit Roland trotz des alten Sprichworts »Lass den Sex mit deinem Ex!«
»Der Nächste, bitte!«
Im U4-Klo händigte ich meinen Körper einem amerikanischen Schönling aus, der klassischen Gesang studierte und mich mit den Worten »Ich mag magere Jungs« angemacht hatte.
»Der Nächste, bitte!«
Ich bumste mit einem schlanken, weißen Südafrikaner, den mir ein Freund vorgestellt hatte, weil er glaubte, es könnte zwischen uns
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