Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
dann wusste sie, wem sie was gefahrlos erzählen durfte. Sie erfand kluge Ausreden, die niemals aufflogen. Aber das, was Julia wirklich betrieb, lag völlig außerhalb dessen, was Sandra sich vorstellen konnte. Die Last eines so ungeheuerlichen Geheimnisses hätte sie niemals allein tragen können.
»Wenn du, nicht ich, meinen Mann kennengelernt hättest, dann wärst du jetzt mit ihm verheiratet, ganz bestimmt, und ich würde dann vielleicht hier stehen und Haare färben. Würdest du mir dann nicht auch helfen, so wie ich jetzt dir?«
Sandra nickte eifrig. Das Argument leuchtete ihr ein.
»Na, siehst du. Also reden wir nicht mehr darüber. Bringe den Salon voran, werde erfolgreich! Dann ist es dein Verdienst. Ich habe dann nur ein bisschen beim Anschieben geholfen.«
Julia hatte gesprochen. Jedes weitere Wort war überflüssig. Sie bezahlte, verzichtete auf das Wechselgeld und hielt die Hand auf. Während Sandra ihren Autoschlüssel hineinlegte, fand sie ihr Lächeln wieder und hauchte wie gewöhnlich >Viel Glück!< auf Julias rechte Wange. Julia blickte an der Rezeption in den großen Spiegel und blieb stehen. Sie drehte sich einmal hin und her und sagte dann zu Sandra, die sie bis zu der breiten Glastür begleitet hatte: »Das passt nicht zu der Frisur.«
Sie trug eine Hemdbluse aus Seidenkrepp in verschleiertem Altrosa. Dazu Velourlederjeans mit ausgestellten Beinen, in gleicher Farbe, nur etwas heller. Aber sie wollte nicht auffällig ausgehen. Verhaltenen Chic hatte sie sich vorgenommen. Modisch wollte sie angezogen sein, das ja, aber heute eher seriös. Besserer streng als verführerisch. Sie drehte sich zu Sandra um und sah sie fragend an. Was meinte Sandra zu der Bluse und den Jeans? Aber Sandra sah Julia ebenfalls fragend an. Ganz eigentümlich. Diesen Blick hatte Julia an ihr noch nie bemerkt. Es war ein zweifelnder Blick. Ungläubig und forschend, distanziert, vielleicht auch ängstlich sah sie aus. Dann löste sie das Rätsel und sprach versonnen, mehr zu sich als zu Julia: »Warum tust du das alles?«
Julia ging einen Schritt auf sie zu, berührte sie an der Schulter und sagte: »Du glaubst mir den Liebhaber nicht.« Sandra senkte den Kopf und nickte: »Ich denke, es ist etwas anderes, vielleicht etwas Verbotenes. Und dann ist es auch gefährlich. Aber ich weiß nicht, was es ist. Ich habe Angst.«
Julia trat ganz dicht an sie heran, nahm ihren Kopf in die Hände, umschlang ihren Hals und biss ihr ins Ohrläppchen. Sie wusste, was sie tat, wusste, sie beging einen schweren Fehler, der alles noch schlimmer machte, Sandra erschreckte oder Hoffnungen hervorrief, Hoffnungen, die sie auf keinen Fall befriedigen würde. Trotzdem ließ sie nicht ab, sie küsste Sandra auf den Mund und schob die Zunge zwischen ihre Zähne. Dann stieß sie sich von Sandra ab, drehte sich rasch um und verließ eilig den Salon.
Sie fuhr nach Hause und zog sich um. Als sie sich in der Wolljacke sah, die kleinen Manschetten ordnete und über den Kellerfaltenrock strich, nickte sie zufrieden. Sie hielt sich die Diamantbrosche an, die Armin ihr ohne einen besonderen Anlass geschenkt hatte, legte sie aber wieder zurück. Es war eine schöne Brosche. Viel zu teuer. Armin brachte sich selbst in eine Lage, die er schließlich nicht mehr beherrschen würde. Von seiner ersten Frau hatte er sich scheiden lassen, weil sie ihn ausgenutzt hatte. Sagte er. Sie hatte das bestritten. Julia hatte es erfahren. Armin hatte seiner ersten Frau immer wieder Schmuck geschenkt. Jedes folgende Stück war teurer gewesen als das vorherige. Sie wollte den Schmuck nicht, aber er konnte nicht mehr zurück. Was sollte sie von ihm denken, wenn er plötzlich mit Bernsteinketten ankäme? Sie hatte die teuren Geschenke als Eingeständnis einer Liebschaft gedeutet. Er schlief mit der Sekretärin eines Geschäftsfreundes, mit dessen Wissen. Aber damals kannte Julia ihn noch gar nicht. Armin war nicht so dumm, in seiner eigenen Kanzlei zu wildern. Das wusste sie. Kein Adler jagt in der Nähe seines Horstes. Diese Regel hatte er ihr ganz am Anfang ihrer Ehe in einer Sektlaune lachend erzählt. Er hatte das längst vergessen, sie aber nicht. Vielleicht gab es auch jetzt ein junges Ding, das in einer hübschen kleinen Wohnung auf ihn wartete? Julia lächelte. Es berührte sie nicht sonderlich. Nachweisen konnte ihm das Verhältnis selbstverständlich niemand. Armin war nicht so ungeschickt wie manche britische Prinzen, die ihr albernes Liebesgefasel über das
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