Kleine Schiffe
Spuntino« einkehren, hinterlassen wir einen völlig sauberen Tisch. Beide haben sich manierlich von mir füttern lassen und dann mit den Spielsachen gespielt, die auf einer Kiste am Boden unter einem Tisch steht. Es ist ein erhebendes Gefühl.
»Stell dir vor, ich war mit den beiden wie mit Großen Kaffeetrinken!«, erzähle ich Tina stolz. Und ich bedauere, dass Andreas und ich immer noch nicht wieder miteinander sprechen und dass Simon so weit weg ist. So kann ich nur bei Tina und Papa mit meinen Kindern angeben.
Mir fehlen die Telefonate mit Andreas. Glücklicherweise ist mein Leben so ausgefüllt, dass ich abends zu müde bin, um allzu viel Trübsal zu blasen. Andreas ruft zwar nicht mehr an – die Kinder vergisst er aber nicht. Immer wieder trudeln lustige Postkarten für die beiden ein, kleine Pakete mit Püppchen oder Teddys oder ein paar Süßigkeiten. Ich bin zwar immer wieder versucht, ihn daraufhin anzurufen, aber dann hält mich mein Stolz davon ab. Stattdessen maile ich ihm kommentarlos Bilder von den beiden, wie sie mit seinen Geschenken spielen oder seine Kekse essen. Und als er meine Mails nicht beantwortet, weiß ich nicht, ob ich froh oder enttäuscht sein soll. Aber jedes Mal, wenn ich an ihn denke, fühle ich Trotz in mir aufsteigen. Ich habe mir doch das Leben in der Wiesenstraße nicht eingerichtet, damit ich alles wieder verlasse und nach Dänemark ziehe! Zu einem Mann, der zwar immer noch Herzklopfen bei mir auslöst, sich aber weigert, mich zu verstehen.
Und Simon? Anfangs haben wir uns noch regelmäßig E-Mails geschrieben. Aber dann drängte sich das unterschiedliche Leben und die Entfernung dazwischen. Zuletzt bekam ich vor drei Wochen eine Postkarte von ihm. Simon hatte in seiner wirren Jungenschrift gekritzelt: »Liebe Franzi, herzliche Grüße aus Toulouse! Die Franzosen sind komisch – sie sprechen alle französisch. Zu Weihnachten freue ich mich auf ein Wiedersehen mit meinem alten Leben. Viele Grüße …« Weihnachten! Das liegt noch so weit entfernt – und davor muss ich noch Lillis ersten Todestag überstehen. Ich hänge die Karte an die Pinnwand und vergesse sie dann.
Tina und ich feiern unser Sommerende-Ritual zwar diesmal wieder mit Sekt auf Eis, allerdings nicht im »R & B«, sondern bei uns vor dem Kamin. Die Terrassentür der Küche steht zwar noch offen, aber wir haben schon einmal Feuer im Kamin gemacht und uns in Decken aufs Sofa gekuschelt. Tina bringt für Mi und Bim Fäustlinge und neue Mützen aus weichem Stoff mit. »Da kratzt nichts, und trotzdem ist das alles fair gehandelt und Bio! Ein Tipp von Britta!«
Ich streiche über die Handschuhe.
»Mutti Britta?«
Tina winkt ab. »Reite nur weiter darauf rum, Franzi! Ich war da vielleicht ein wenig voreingenommen. Du wirst es nicht glauben, aber ich war mit Britta in einer Babylounge am Ahlsenplatz …«
»Babylounge? Du?«
Tina grinst. »Ja, du hast richtig gehört. Britta hat mich letzte Woche zum Basteln für das Herbstfest mitgenommen!«
»Das heißt, du vermutterst jetzt? Oder besser: Du verpatentantest?«
Tina wedelt meine Ironie großzügig fort. »Davon kann keine Rede sein. Aber … das war sehr gemütlich, und es waren lauter interessante Leute da. Übrigens nicht nur Mütter. Sondern auch ein paar Väter.«
»Tina! Du klaust doch nicht etwa junge Väter vom Kleinfamilien-Kuchenblech?«
»Quatsch! Aber ein bisschen Vernetzung im Stadtteil täte dir ganz gut. »Hier!« Tina holt einen Flyer aus ihrer Handtasche. »Das sind ein paar Eindrücke von der Babylounge. Du kannst dir im Internet auch mal deren Website ansehen. Die haben spannende Kurse im Angebot und zweimal in der Woche eine Spielgruppe. Das wäre doch was für die Mäuse.«
»Du hast also Frieden mit den Müttern geschlossen.«
Tina verzieht indigniert ihr Gesicht. »Ich wüsste nicht, dass ich jemals mit Müttern auf Kriegsfuß stand.« Sie macht eine kleine Pause. »Das verwechselst du wohl eher mit Männern.«
»Seit wann stehst du mit Männern auf dem Kriegsfuß?«
Tina seufzt tief auf. »Schön, dass du mich endlich auch mal wieder fragst, wie es mir geht!«
Ich spüre einen Stich von Schuldbewusstsein. Seit Lillis Tod habe ich mich eigentlich nur um die Kinder und mich gekümmert. Tina ist anfangs täglich vorbeigekommen, und auch jetzt sehen wir uns alle zwei, drei Tage. Ohne Tina könnte ich mir kaum in Ruhe die Haare waschen, und ein schönes Wannenbad wäre viel seltener drin. Und würde zweifelsohne wesentlich kürzer
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