Kleine Schiffe
erzählt. Eigentlich müsste er meine Begeisterung verstehen. Er redet weiter und fängt wieder davon an, dass ich mit den Kindern nach Dänemark ziehen soll. »Überleg es dir doch noch mal, Franzi. Sieh mal, der Sommer ist hier am Meer so schön. Du hast hier alles. Sogar den Job für dich gibt’s noch. Jetzt gib deinem Herzen einen Stoß. So großartig kann Hamburg gar nicht sein.«
Liegt es an seinem Tonfall? Daran, dass er mir gar nicht zugehört hat? Dass er mich nicht ernst zu nehmen scheint? Ich spüre, wie Ärger in mich hochschießt. Ich zische ihn an: »Auf die Idee, dass ich hierbleiben will, weil mir mein Leben so gefällt, wie es ist, kommst du wohl nicht, oder?«
Andreas stößt hörbar Luft aus. »Ich verstehe dich nicht! Hast du nicht immer von einer Familie geträumt?«
»Ich habe eine Familie!«
»Zwei Kinder machen noch keine Familie.«
»Ein Umzug nach Dänemark auch nicht. Hier gibt es meinen Vater, Tina, meine Freunde, ich kümmere mich um die Jugendlichen im Vorderhaus, ich gehe zum Sport, ich singe im Chor. Mein Leben ist hier, Andreas, hier in diesem Haus, mit Amélie und Lisa-Marie. Versteh das doch endlich!« Meine Stimme ist laut geworden. Ich setze den Schlusspunkt hinter meine Rede: »Und Händchen halte ich schon lange nicht mehr mit dir!«
»Was soll das denn heißen?«, fragt Andreas. »Mensch, Franziska, hier hättest du es viel leichter. Warum willst du das nicht verstehen? Ich könnte dir hier goldene Brücken bauen. Ich weiß doch, wie schwer du dich oft mit allem tust. Ich meine es wirklich nur gut! Erklär mir bitte einmal, warum du dich gegen die Idee so wehrst?«
Aber ich habe keine Lust mehr auf Erklärungen. »Du verstehst das einfach nicht, Andreas!« Als ich auflege, höre ich seine protestierende Stimme. Aber es ist alles gesagt.
Danach herrscht Funkstille zwischen uns. Er ruft nicht mehr an, und ich melde mich auch nicht bei ihm. Was denkt er sich eigentlich? Hat mir sogar schon einen Job in Dänemark besorgt. Wie er sich das wohl vorgestellt hat? Ich ziehe mit Amélie zu ihm in sein beschauliches Aabenraa, und wir teilen wieder Bett und Tisch miteinander?
»Franziska, jetzt wird nicht mehr geheult«, hatte Papa gesagt. Daran halte ich mich. Selbst wenn ich an Andreas denke und mir das Herz schwer wird. Aber jedes Mal kocht auch ein bisschen Wut in mir hoch. Wir können nicht so tun, als hätte es unsere Scheidung nicht gegeben. Doch ich schlucke Wut und Traurigkeit hinunter und klammere mich an Papas Worte. Außerdem muss ich mir für den nächsten Indiaca-Termin neue Hallenschuhe besorgen.
20. Kapitel
Liebe tat mir nie weh
Und Liebe war niemals grausam
Aber keine Liebe schmerzt und keine Liebe tötet
Und keine Liebe lässt uns nachts flehen
Für den Tag.
Bernd Begemann: »Liebe tat mir nie weh«
D er erste Sommer ohne Lilli und Simon vergeht, und er ist trotzdem schön. Mi und Bim entwickeln sich, werden größer, und es macht viel Spaß, mit ihnen zusammen zu sein. Mein Leben bekommt ein ruhigeres Tempo, weil ich mich ihren kleinen Schritten anpassen muss. Konnte ich früher schnell in der Osterstraße einkaufen, muss ich jetzt für jeden Einkaufsgang doppelt so viel Zeit einplanen. Denn die Mädchen sitzen nicht mehr gern in der Karre. Sie bestehen darauf, an meiner Hand zum Einkaufen mitzukommen. Also schleiche ich in Rückenschmerzen heraufbeschwörender Bückhaltung und im Schneckentempo zum Supermarkt, bleibe an jedem Steinchen stehen, bewundere Marienkäfer und zerknüllte Kaugummipapierchen und erkläre ein ums andere Mal, dass Hundemist und Glasscherben weder angefasst noch in den Mund gesteckt werden sollten.
In diesem Sommer entdecken wir den großen Spielplatz von Planten un Bloomen, dem Park, der am Fuß des Hamburger Fernsehturms liegt. Da gibt es Klettergeräte und Rutschen und Pumpen, aus denen die größeren Kinder Wasser in den Sand pumpen können. Bei diesen Ausflügen müssen Bim und Mi sehr zu ihrem Ärger in die Karre, weil der Weg zu weit ist, als dass sie ihn zu Fuß bewältigen könnten. Aber auf dem Rückweg kommen wir beim italienischen Imbiss »Lo Spuntino« vorbei, wo es einen sehr leckeren Milchkaffee gibt – und Eis! Natürlich zerbröseln meine Prinzessinnen alles, was in ihrer Reichweite liegt, schmieren mit ihrem Vanilleeis herum oder rühren in meinem Milchkaffee so heftig, dass der Tisch unter Kaffee gesetzt wird. So geht das fast den ganzen Sommer lang. Aber als wir an einem warmen Tag Ende August wieder im »Lo
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