Kleine Schiffe
»Keine Ahnung. Eine Kindersicherung?«
Simon nimmt ihn mir aus der Hand und steckt ihn in die Steckdose. Ein Leuchtkranz erstrahlt. Simon sieht mich triumphierend an. »Sag bloß, das kennst du nicht. Das ist ein Schlummerlicht!« Er zieht den Stecker wieder heraus. Dann richtet er sich auf und schiebt die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans. Diese Bewegung irritiert mich. Völlig unpassend stelle ich mir die Frage, wie sich das, was er jetzt unter seinen Händen spürt, wohl anfühlt. Franziska, hör auf! Laut sage ich: »Ein Schlummerlicht?«
Simon nickt wieder. »Das Schlummerlicht verhindert die völlige Dunkelheit im Zimmer. Ich hatte als kleiner Junge auch so eins. Dabei konnte ich viel besser einschlafen.« Er wirft mir einen Blick zu, den ich nur als »flirtend« bezeichnen kann. »Heute helfen mir natürlich andere Dinge beim Einschlafen.«
Mir wird heiß. Trotz meiner brennenden Wangen versuche ich einen kühlen Kopf zu bewahren. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Wäre doch gelacht, wenn mich so ein Jüngelchen aus der Ruhe brächte!
Routiniert schultert er die Leiter und greift nach seiner Werkzeugtasche. Dass er meine letzte Bemerkung überhaupt gehört hat, merke ich erst an seiner verspäteten Antwort. Er geht an mir vorbei und sagt auf der ersten Stufe der Treppe: »Ich hoffe, deine Phantasie reicht aus.« Und als ich gerade Luft hole, obwohl mir noch gar keine Entgegnung eingefallen ist, setzt er nach: »Aber ich finde es schon sehr schade.«
Ich renne hinter ihm die Stufen hinunter. »Was findest du schade?«
Er beugt sich vor, um die Leiter im Wandschrank am Treppenabsatz zu verstauen. Dabei kommt er mir so nahe, dass ich seinen Duft nach einem frischen Rasierwasser in der Nase spüre. Dann sagt er, während seine Lippen fast meine Ohren streifen: »Ich finde es schade, dass wir es uns noch nicht auf dem Sofa gemütlich gemacht haben, Schatz!«
Es klingelt. Simon atmet tief ein. Er hält meinen Blick mit seinen Augen fest. »Das muss Sophie sein.«
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zuzuschauen, wie er die Tür öffnet und eine junge Frau umarmt. Sehr weltmännisch und erwachsen läuft das ab, als ob er der Hausherr wäre. Von wegen Jüngelchen.
»Das ist Sophie«, stellt er die Frau vor, die im Blaumann und mit Werkzeug bewaffnet ausgesprochen professionell aussieht.
Ich habe zwar keine Ahnung, was Sophie in meinem Haus will, aber ich entscheide mich, ihr einfach die Hand zu schütteln. »Hallo Sophie, ich bin …«
»Franziska, ich weiß«, unterbricht mich Sophie freundlich. »Lilli hat mir von Ihnen …«
»Von dir! Wir können uns doch duzen, oder?«
»Ja, klar. Also, Lilli hat von dir erzählt. Wir hätten sie gern noch länger bei uns behalten, aber jetzt zieht der Freund von Lotti bei uns ein. Das heißt, eigentlich ist es mittlerweile der Freund von Hedi, denn Lotti hat Alzheimer und weiß nicht mehr, dass er ihr Freund war.« Sie verzieht entschuldigend das Gesicht. »Ich wohne mit zwei alten Damen zusammen. Das ist eine ziemlich komplizierte Geschichte, weißt du? «
Ich weiß nicht, ob es an der Art liegt, wie Lillis Freunde etwas erzählen, oder ob das Leben da draußen während meiner Ehe wirklich soviel unübersichtlicher geworden ist. Jedenfalls gibt es nur wenige Personen in Lillis Freundeskreis, die eine einfache Geschichte zu berichten haben. Viele sind Scheidungswaisen, leben in Patchwork-Familien oder abenteuerlichen WGs wie diese Sophie. Also nicke ich nur stumm.
Sophie fasst zusammen: »Lilli konnte also nicht länger bleiben, obwohl wir das alle sehr traurig finden. Ich habe Lilli bei Iuve, meinem Friseur, kennengelernt. Sie ist ein großartiges Mädchen.«
Simon mischt sich ein: »Willst du gleich loslegen oder vorher noch was trinken?«
Sophie spitzt unternehmungslustig den Mund. »Was kannst du denn anbieten?«
Simon lächelt mir zu. »Da fragen wir lieber Franziska. Schließlich ist das ihr Haus, oder?«
»Gut, dass dir das noch einfällt«, kontere ich spitz, mache mich aber auf den Weg in die Küche, wo ich die Vorräte inspiziere.
»Ich lade schon mal ab!«, ruft Sophie von der Tür her und verschwindet im Hof. Simon kommt mir nach. Er sieht ein wenig zerknirscht aus. »Entschuldigung, dass ich mich hier wie der Hausherr aufgeführt habe. Ich dachte nur, es wäre nett, wenn wir etwas trinken könnten. Ich habe den ganzen Nachmittag mit diesem Dimmer verbracht und könnte gut ein Bier vertragen. Oder bist du sauer auf mich?«
Es
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