Kleine Schiffe
sich vertrauensvoll an Papa: »Du bist doch Koch gewesen, oder? Wie kochen wir denn am besten gesund?«
Papa grummelt zunächst, aber dann nimmt er sich doch die Zeit für sie. Er kocht jetzt einmal die Woche bei uns, und Lilli lernt alles über Brokkoli und Karotten, über Fisch und Salate.
Das mit dem Stillen hat bei mir leider nur bedingt geklappt. Ich hatte zu wenig Milch, und Amélie war in den ersten Wochen ein richtiges Schreikind – bis die Kinderärztin geraten hat, Flaschennahrung zuzufüttern. Erst in diesem Moment habe ich gemerkt, dass Amélie vorher wahrscheinlich nie richtig satt geworden ist.
Lilli hat keinerlei Probleme beim Stillen – anfangs hat es mich traurig gemacht, wenn ich sah, wie sie Lisa-Marie anlegte. Doch mein schlechtes Gewissen, weil ich Amélie das Geschenk der Muttermilch vorenthalte, beruhigt sich angesichts meines glücklichen, runden Babys. Amélie bekommt mittlerweile alle vier Stunden die Flasche und entwickelt sich prächtig. Also finde ich mich damit ab, dass ich sie nicht stillen kann – genauso wie mit der Tatsache, dass ich Geduld aufbringen muss, bevor ich wieder in meine Jeans passe.
Ich habe uns für den Herbst bei einem Indiaca-Kurs angemeldet. Das ist die Sportart, auf die Lilli und ich uns einigen konnten, weil sie eine Mischung aus Volleyball und Federball zu sein scheint. Man spielt auf einem Feld wie beim Volleyball, aber mit einem gefiederten Ball, der etwas größer ist als ein Federball und mit der Hand geschlagen wird. Das wollen wir uns im Herbst ansehen – eine Sportschule in der Nähe vom Bahnhof Schlump bietet den Kurs an. Um einen Babysitter werden wir uns wohl keine Gedanken machen müssen: Simon hat sich bereits als wahres Naturtalent erwiesen, der großartig mit den Babys umgehen kann. Auch Lilli scheint sich darüber zu freuen, obwohl sie manchmal auch sehr traurig ist, weil David so selten vorbeikommt, um seine Tochter zu sehen.
Beinahe täglich fällt mir mittlerweile der Leitsatz meiner Mutter ein. Wir müssen wirklich selbst erleben, welche Gefühle in uns explodieren, wenn wir das eigene Kind im Arm halten. Das kann man mit den oft zitierten Hormonen nicht erklären.
Die Mutterschaft löst einen Mix aus Angstvisionen und Glücksräuschen in mir aus. Es kommt mir vor, als ob ich mich am letzten Tag eines Urlaubs verlieben würde und gleichzeitig das Traumjob-Angebot in Paris und einen Lottogewinn in Aussicht hätte: ein Gefühl von emotionaler Dauerekstase auf einem Kettenkarussell, auf dem man beim Erreichen der Höchstgeschwindigkeit feststellt, dass man den Sicherungsbügel nicht geschlossen hat. Die Welt ist wunderbar und gleichzeitig ein bedrohlicher Abgrund voll unwägbarer Gefahren. Jeder Luftzug könnte beim niedlichsten Baby der Welt zu einer Erkältung führen. Jede Berührung könnte tödliche Bazillen auf das wichtigste Wesen übertragen, das jemals das Antlitz der Erde verschönt hat. Jedes Auto, das fünfzig Meter entfernt in die Spielstraße einbiegt, könnte von einem gewissenlosen Raser gelenkt sein. Das Leben ist so herrlich und so anstrengend wie nie zuvor. Jetzt verstehe ich die Erschöpfung junger Mütter, die mir vorher so übertrieben vorkam.
»Es geht gar nicht sosehr darum, was wir tun müssen: das Aufstehen in der Nacht, das Füttern, der Haushalt. Irgendwie kriegen wir das hin. Es ist vielmehr die emotionale Anspannung. Diese Bungee-Sprünge zwischen tränenseligem Glück und zähneklappernder Sorge«, erkläre ich Tina, die ihre Abneigung gegen Mütter erstaunlicherweise nicht auf Lilli und mich überträgt. Im Gegenteil, sie liebt die Babys, und auch wir werden von ihr mit liebevoller Zärtlichkeit versorgt. Sie schleppt teure Obstsäfte an, mixt uns gesunde Müslis und hat sogar zwei hochwertige Babywippen »schnäppchenmäßig« für uns ergattert: »Ein Tipp von Britta!«
Ich bin sprachlos. »Mutti Britta?«
Tina runzelt die Stirn. »Was redest du da? Britta, meine ehemalige Sprechstundenhilfe! Die ist jetzt mit dem zweiten Kind schwanger und voll vernetzt. Die weiß genau, wo welche Flohmärkte, Kinderklamotten-Tausch-Aktionen und Ladenschließungen in der Nähe interessant sind. Ihr könnt euch wirklich dazu gratulieren, wie kinderfreundlich dieser Stadtteil ist.« Sie strahlt, streicht sanft über die Babywippen, die sie auf dem Küchentisch gestellt hat, und schwärmt: »Seht mal, Buchenholz und eloxiertes Aluminium.« Und dann hält sie uns einen Vortrag über herausnehmbare Sitzverkleinerer,
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