Kleine Schiffe
Sie nicht furchtbar aufpassen, schicke ich Ihnen gleich die Polizei vorbei. Wegen Ruhestörung!« Mit diesen Worten stapft er davon.
Während die Jungs ihm hinterherpöbeln, werfen Lilli und ich uns über die Köpfe der Babys hinweg besorgte Blicke zu. Wo sollen wir denn hin, wenn Pröllke Ernst macht?
13. Kapitel
Mein Leben würde aufhören
Wenn du ja sagst
Und unser Leben würde anfangen.
Bernd Begemann: »Ich kann dich nicht kriegen, Katrin«
A m nächsten Morgen hat sich meine Angst schon wieder etwas gelegt. Nach Pröllkes Auftritt hat Simon Lilli und mich sofort beruhigt. »David ruft einfach seinen Vater an – der kann bestimmt herausfinden, ob der Pröllke das darf.«
David war ebenso verblüfft wie wir. »Mein Alter?« Er schien schlagartig nüchtern zu werden. »Was soll ich den denn fragen?«
Oliver, der mir immer ein wenig freundlicher und warmherziger als David vorkommt, warf sofort ein: »Na, du sagst ihm einfach, dass ein Freund von dir untervermietet hat und der Vermieter ihn jetzt rauswerfen will. Ob das einfach so geht.«
»Wieso soll mein Alter das denn wissen?«, fragte David misstrauisch.
Simon lachte. »Der hat doch Rechtsanwälte in seiner Kanzlei.«
»Okay, das mache ich aber erst morgen.«
»Man muss nur wissen, wo man Hilfe suchen kann«, sagte Simon und legte tröstend den Arm um mich. »So schnell kann der euch gar nicht rausschmeißen. Was meinst du, was los wäre, wenn wir das einer Zeitung stecken. Mütter von Babys auf die Straße gesetzt!« Er lachte und nahm mich fest in seine Arme.
Das Glück, das der Tanz mit Simon in mir ausgelöst hat, ist auch an diesem Morgen noch spürbar. Es gibt jetzt so viel Glück in meinem Leben! Viele Einzelmomente, von Amélies erstem Lachen am Morgen bis zu Simons letztem Kuss. Die Liebe zu Amélie. Zu Simon. Zu Lilli und Lisa-Marie. Zum Leben. Und während ich im Bett liege und auf Simons Atem an meinem Ohr lausche, fällt mir kurz Andreas ein – der einzige Schatten in meinem Leben. Ich komme mir zunehmend schlecht vor, dass ich ihm Amélie vorenthalte. Aber immer wenn ich überlege, es ihm zu sagen, steht dieser Satz zwischen uns: »Du willst zu wenig.« Nein, ich kann Andreas nichts sagen. Ich bringe es einfach nicht fertig. Und ich will mein Glück nicht gefährden. Wie würde Andreas reagieren? Ich sehe ihn vor mir, wie er den Fast-Fahrrad-Dieb verprügeln will. Andreas, sonst eher sanft, vermag sehr zornig zu werden. Nein, darauf kann ich verzichten. Ich will mein Glück behalten. Mein Glück mit Lilli. Und mein Glück mit Simon.
Natürlich bleiben Zweifel. Das Leben ist kein abgeschlossener Fotoroman. Das Leben ist niemals fertig. Und das Glück? Dafür gibt es keine Formel. Mann + Kind + Haus = Glück? Idealgewicht + operativ perfektionierte Brüste = Glück? Guter Job + neues Auto + zweimal jährlich Urlaub = Glück?
Glück ist nicht herstellbar, Glück geschieht. In diesem Sommer mit Simon lerne ich von neuem: Glück ist der Moment. Es ist ein Schmetterling, der sich für einen Moment auf die sonnige Fensterbank setzt.
Genauso ist das Leben mit Simon. Wir verbringen innige Momente. Wir gehen spazieren, halten einander an den Händen, schlafen miteinander ein, wachen miteinander auf und sind uns so nahe, so nahe. Dann wieder schwingt er sich auf sein Fahrrad und fährt fort, ohne sich umzudrehen. Er taucht ab, meldet sich tagelang nicht, reagiert nicht auf Mails oder Anrufe. Anfangs stürzt mich das in tiefe Zweifel: Ist er jetzt mit einer anderen zusammen? Will er lieber allein sein? Will er mich nicht mehr? Doch dann kommt er durch die Tür und setzt sich an den Küchentisch, als wäre er nie fort gewesen.
Auch das Glück mit Amélie und Lisa-Marie ist kein sonniges Mutter-Kind-Idyll wie im Werbespot. Es ist zermürbend, wenn die Kinder krank sind und uns nächtelang nicht schlafen lassen. Sie haben ihren eigenen Kopf, ihre eigene Persönlichkeit. Sie bespucken uns und rupfen uns mit ihren klebrigen Händchen Haare aus. Sie sitzen auf dem Schoß und werfen unvermittelt den Kopf zurück: Zweimal hatte ich deswegen schon eine dicke Unterlippe. Sie schlafen ein, wenn sie essen sollen, und haben Hunger, wenn sie schlafen sollen. Es ist erschöpfend, sie herumzuschleppen – besonders, wenn man gleichzeitig ein Windelpaket und ein Sixpack Mineralwasser trägt. Und doch: Sie machen uns so glücklich! Neben den Momenten der Anstrengung stehen Augenblicke intensiven Glücks: tiefe Blickwechsel, ihr fröhliches Glucksen beim
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