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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schuetze
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Jonas und Suse eingeladen.« Wir setzen uns in die Küche, und ich erzähle ihr erst einmal von Andreas’ Auftritt. Tina ist ebenso überrascht, wie ich es war. »Was hat ihn denn nach Hamburg getrieben? Sehnsucht?«
    Lilli wirft ein: »Oder hat ihm irgendjemand etwas gesteckt? Dein Vater vielleicht?«
    Bei der Vorstellung, dass Papa und Andreas heimlich telefonieren, müssen Tina und ich lachen. Tina fragt: »Und wie geht es jetzt weiter?«
    »Keine Ahnung. Ich stehe immer noch unter Schock.«
    »Er bestimmt auch. Er ist ja noch nie Vater geworden«, kommentiert Tina.
    »Aber er weiß doch gar nicht, dass er Vater ist«, wirft Lilli ein. Beide sehen mich an.
    Ich schüttele den Kopf. »Er vermutet, dass ich als Tagesmutter jobbe.«
    »Na, dann mach dir mal keine Gedanken.« Tina blickt auffordernd zu Lilli. »Wie sieht’s denn jetzt mit Kaffee aus? Ich habe Kürbiskuchen mitgebracht.«
    Nach dem Kaffee greift Tina wieder zu ihrem Hexengut. Beim Abschied tröstet sie mich noch einmal: »Franzi, das mit dir und Simon wird schon wieder.« Sie sieht mich mit einem forschenden Blick an, der mich an Lilli erinnert. »Wie war es denn mit Andreas? Empfindest du noch etwas für ihn?«
    »Nein. Das heißt … Ich weiß nicht.«
    Tina schlüpft in ihren Mantel. »Also bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten.« Sie küsst mich auf die Wange. »Aber halte dein Herz fest. Andreas hat dich schon einmal verletzt. Vergiss das nicht.«
    Während ich den Kaffeetisch abräume, klingelt das Telefon.
    »Ich geh ran«, sagt Lilli. Einen Moment später steht sie neben mir. »Für dich!« Sie formt mit dem Mund eine stummes »Andreas« und hält mir das Telefon hin. Ihr Gesichtsausdruck liefert mindestens drei Ausrufezeichen mit.
    »Ja?«
    »Ich bin’s, Franziska.« Im Hintergrund höre ich Stimmengewirr, Geräusche wie in einem Restaurant, ein Frauenlachen. »Ich möchte mich entschuldigen. Für den Überfall heute Morgen. Und für alles, was ich gesagt habe.« Nach einer Pause lacht er gepresst und fügt hinzu: »Und was ich getan habe.«
    Ich suche vergeblich nach Worten. Soll ich ihm jetzt endlich von Amélie erzählen? Am Telefon?
    Schließlich fragt Andreas: »Bist du noch dran?«
    »Ja, ja. Ich … Bitte sag mir doch das nächste Mal, wenn du nach Hamburg kommst, vorher Bescheid.« Ich fasse mir ein Herz. »Ach, und … ich würde gern etwas mit dir besprechen. Also, wenn du Zeit hast.« Wieder klopft mein Herz wie verrückt. Will ich ihm wirklich alles sagen? Was bedeutet das für mein Leben?
    Jetzt schweigt er. Im Hintergrund höre ich die Frage: »Wo ist Andreas?«
    »Hör zu, Franziska! Können wir uns später treffen? Das dauert hier noch eine Stunde, dann kann ich weg.«
    »Wo bist du denn?«
    »Im Kongresszentrum bei einem Ärztekongress. Wie sieht es bei dir gegen sieben Uhr aus?«
    »Das ginge.«
    »Fein. Nur …« Er zögert. »Können wir uns woanders treffen? Sozusagen auf neutralem Boden? Deine … äh … Wohnsituation wirkte heute etwas unübersichtlich …« Wahrscheinlich fürchtet er, dass ich mit Papa zusammenwohne. Oder er will Simon nicht begegnen.
    »Gut. Kennst du das ›Lál Pera‹?« Das ist eines von Lillis und mir favorisierten Cafés in der Osterstraße. Ich erkläre ihm, wie er dort hinkommt, und lege auf.
    Lilli starrt mich an. »Du triffst dich mit ihm?«
    »Lilli, er ist Amélies Vater! Er hat ein Recht darauf, es endlich zu erfahren.«
    Woher diese Erkenntnis kommt, kann ich nicht genau fassen. Doch der Anblick von Andreas hat mich an so vieles erinnert. Auch an die guten Zeiten, an das unbedingte Vertrauen, das wir zueinander hatten. An mein Glück, meine Zufriedenheit, an meine Erleichterung, endlich den Mann gefunden zu haben, mit dem mein Leben einen Sinn ergab. Der mich auffing und stützte und mein Zuhause war. Selbst sein cholerisches Aufbrausen hat mir immer gut gefallen, wenn er mich damit gegen andere verteidigte oder mich beschützte. Ob beim Open-Air-Konzert, wo mich ein Betrunkener einmal anrempelte, oder als mich ein Ticketkontrolleur nicht in Ruhe nach meiner U-Bahn-Fahrkarte suchen ließ. Andreas, der meinen Lieblingsduft kannte und ihn mir mit großer Verlässlichkeit an jedem Geburtstag schenkte. Andreas, der mich im Bett liebevoll in die Decke einwickelte und mich morgens mit einem Tee weckte. Diesen Andreas will ich auf einmal nicht mehr anlügen.
    »Du willst Amélie mitnehmen? Bist du verrückt?«, sagt Lilli in meine Gedanken hinein.
    »Wieso wirst du denn so laut?

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