Kleine Schiffe
Schlafzimmer, die Treppe hinunter und zur Haustür hinaus.
Ich stehe am Schlafzimmerfenster und sehe ihm nach, wie er durch den Garten und über den Hof geht. Aber Simon dreht sich nicht mehr um.
Lilli taucht im Türrahmen auf. Auf jeder Hüfte sitzt ein Baby. Sie lächelt mich aufmunternd an. »Franziska Funk! An einem Morgen zwei Männer in die Flucht geschlagen! Kein schlechter Schnitt.«
Sie kommt herein und setzt die Kinder aufs Bett. »Atme erst einmal tief durch. Um die Pepovic-Kinder kümmert sich dein Vater. Er meint, so viel Grammatik kann er.« Sie sieht mich forschend an. »Na, komm mal her!«
Wir setzen uns auf das Bett. Lisa-Marie und Amélie kugeln kichernd durch die Kissen. Lilli hält mich fest, als ich weine. Ich spüre mein Leben: schwarz-weiß-schwarz-schwarz …
14. Kapitel
Ich habe nichts erreicht außer dir
Bitte bleib bei mir
Denn das Beste an mir sind wir.
Bernd Begemann: »Ich habe nichts erreicht außer dir«
W as ist denn schon passiert?«, muntert Lilli mich auf. »Andreas muss verdauen, dass seine Ex nicht auf seinen Besuch wartet und Strohsterne bastelt, um ihre leeren Stunden zu füllen, sondern ein ganz munteres Leben führt. Und Simon kocht vor Eifersucht.«
»Und wenn Simon nicht wiederkommt?«
»Du scheinst nicht viel Vertrauen in ihn oder eure Beziehung zu haben.« Sie wirft mir einen kritischen Blick zu. »Hast du nicht viel mehr Angst davor, dass Andreas nicht zurückkommt?«
»Franziska!«, ruft mein Vater von unten. »Dauert das noch lange?«
Ich stehe auf, setze mir Amélie auf die Hüfte.
»Wirst sehen, Schatz«, sagt Lilli. »Meine Prognose ist, dass beide wiederkommen. Und dann hast du ein Problem!«
Ich versuche vergeblich, Simon zu erreichen. Auf seinem Handy meldet sich nur die Mailbox. In der WG läuft der Anrufbeantworter, und auch auf die Mail, die ich ihm schicke, erhalte ich keine Antwort. Andreas zu erreichen, versuche ich erst gar nicht. Dazu kenne ich ihn zu gut.
Für das Mittagessen ist Papas legendäre Erbsensuppe vorgesehen. Dafür hat er am Vorabend bereits die Erbsen eingeweicht. Nachdem das Pepovic-Trio das Weite gesucht hat, wirft er nur einen Blick auf mein Gesicht und bittet mich, ihm zu helfen: Kartoffeln, Karotten und Lauch sind zu schälen und zu schnippeln. »Das lenkt dich ab.«
Während ich den Sparschäler betätige, serviert mir Lilli fürsorglich ihren Spezialkakao mit Extra-Schokoflocken. Die Unvermeidlichen schickt Papa zum Fleischer, um Wiener Würstchen zu kaufen.
Mit dem Duft von gebratenem Bauchspeck und der vor sich hin köchelnden Erbsensuppe bereitet sich in der Küche eine friedliche Stimmung aus. Mein Vater hackt frische Petersilie, die Kinder krabbeln zwischen Küche und Spielzimmer hin und her.
Lilli sortiert am Küchentisch Wäsche. Mit einer Kinderstrumpfhose in der Hand schaut sie versonnen aus dem Fenster in den verregneten Herbsttag. Dann blickt sie sich in der Küche um. »Wisst ihr, dass ich mir das Familienleben immer so vorgestellt habe? Uns geht es doch wirklich gut, oder?«, fragt sie mit einem wohligen Seufzer und lehnt sich zurück. Sie lauscht ihren eigenen Worten nach und sieht dann verlegen zu mir herüber. Ich nicke ihr beruhigend zu. Schließlich ändert der heutige Morgen nichts an unserem Zusammenleben.
»Hast du denn solch ein Familienleben nie kennengelernt?«, fragt Papa. Ich halte erschrocken den Atem an, denn ich weiß, wie verschlossen Lilli in diesem Punkt sein kann, und erwarte ihre abweisende Standardantwort: »Das ist Privatsache.«
Aber sie antwortet, ohne zu zögern: »Nie! Mutter ist Alkoholikerin und ihre Freunde – und davon gab es schon eine ganze Menge – waren meist auch Alkoholiker, weißt du. Die haben sich dauernd gestritten, vor allem, wenn sie beide wieder einmal arbeitslos waren. Oder voll.« Sie lächelt meinen Vater an, als ob sie um Entschuldigung bittet.
»Gemeinsames Kochen stand da nicht auf dem Programm. Ich war schon froh, wenn jemand eine Tiefkühlpizza eingekauft hatte, wenn ich aus der Schule kam.« Sie wischt sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
»Ich wäre gern ein Adoptivkind gewesen. Früher dachte ich immer, dass Adoptivkinder die wahren Wunschkinder sind. Meine Mutter konnte mit mir nichts anfangen. Und mein Vater wollte es nicht.« Ich wage kaum, sie anzusehen. Warum hat mir Lilli nie etwas davon erzählt? Und warum habe ich sie nie danach gefragt?
»Wie geht es deinen Eltern heute?«
»Keine Ahnung. Mein Vater soll hier in Hamburg sein, aber
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