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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schuetze
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anziehen«, sage ich unnötigerweise. Ich schlüpfe aus der Pyjamahose und öffne die Wäscheschublade, um einen frischen Slip herauszuholen. Zum ersten Mal seit langer Zeit ist mir meine Nacktheit vor Simon unangenehm. Schnell streife ich die Jeans und ein T-Shirt über und binde meine Haare zu einem Pferdeschwanz. Währenddessen kramt Simon Wäschestücke zusammen, nimmt sein Buch vom Nachttisch und verstaut seine Sportschuhe im Rucksack.
    »Simon, was ist denn los?«
    Er stützt die Hände in die Hüften, denkt nach und mustert mich lange. Schließlich sagt er: »Was los ist, Franzi? Schau dich doch mal an! Du bist völlig durcheinander, weil dein Ex hier aufkreuzt. Mir kannst du nichts vormachen: Du liebst den noch, oder?«
    Simon ist eifersüchtig! Früher hätte mir das geschmeichelt. Es wäre Balsam für meine wunde Seele gewesen, als ich vergeblich hinter ihm hertelefonierte und auf seinen Besuch wartete.
    »Was redest du denn da? Ich bin aufgeregt, weil … weil … Er weiß doch gar nicht, dass er Vater ist! Ich habe deswegen schon lange ein schlechtes Gewissen.«
    Simon stopft ein paar Pullis in seinen Rucksack. »Warum eigentlich? Soviel ich verstanden habe, hat sich dein Ex doch wie ein Arschloch verhalten, oder?«
    Habe ich ihm diesen Eindruck vermittelt? Ich versuche Andreas’ Verhalten zu erklären, ohne es zu beschönigen und ohne mich als Opfer darzustellen. »Es gab Missverständnisse zwischen uns …« Ich merke selbst, wie wenig überzeugend das klingt.
    Mein Herz klopft immer noch. Weil ich vom Treppensteigen außer Atem bin? Hat Simon vielleicht recht? Liebe ich Andreas noch? Nein! Ich bin in Simon verliebt.
    »Wir wollten uns doch heute einen schönen Abend machen«, erinnere ich ihn.
    Simon schüttelt den Kopf. »Daraus wird nichts, Franzi.« Er macht eine Pause, gibt sich dann einen Ruck. »Ach, weißt du, ich kann es dir ebenso gut jetzt sagen …« Er verstummt.
    Ich sinke auf das Bett, in dem wir beide vor einer Stunde noch eng aneinandergeschmiegt geschlafen haben. »Was willst du mir sagen?«
    Mit einem entsetzlich endgültigen Geräusch zieht Simon den Reißverschluss seines Rucksacks zu. Er vermeidet es, mich anzusehen. In diesem Moment sieht er so jung, verletzlich und liebenswert aus, dass es mir den Hals zuschnürt.
    »Dass das zwischen uns vielleicht doch keine so gute Idee ist.«
    Meine Trauer schlägt in Wut um. Was denkt sich Simon bloß? Nur weil mich ein Überraschungsbesuch von Andreas aus der Bahn wirft und er sich nicht mehr im uneingeschränkten Mittelpunkt fühlt, benimmt er sich wie ein verwöhntes Kind!
    »Ach, findest du? Das fällt dir aber reichlich überraschend ein! Vorhin war doch noch alles in Ordnung. Was hat sich seitdem geändert?«
    Mein Zorn wird von Simon widergespiegelt. Angriffslustig schiebt er das Kinn vor. »Ich bin in deinem Leben doch nur die Schleife um das Geschenk. Der Zuckerguss auf einem Alltag, der mit Freundinnen und Babys prima ausgelastet ist. Und wenn die liebe Mutter von ihren vielfältigen Pflichten mal ausruht, steht Simon als Liebhaber parat.«
    »So siehst du das?«
    »Mensch, Franzi, ich bin kein Familienvater! Ich finde Babys nett, aber doch nicht dauernd. Ich bin dreiundzwanzig und, ja, ich finde dich wunderbar! Ich schlafe gern mit dir, aber ich will nicht für den Rest meines Lebens das Bett mit einem sabbernden Säugling teilen. Und dich auch nicht.«
    »Ich dachte, du magst Amélie.«
    »Was hat das damit zu tun? Natürlich mag ich Amélie. Aber sie ist ein Baby. Babys sind niedlich, ja. Ich fühle mich einfach noch nicht … reif für all das hier.« Er macht eine unbestimmte Bewegung, die das Zimmer und das Haus umfasst.
    »Das hast du bisher aber ziemlich gut verborgen.«
    Simon nickt. »Bisher fand ich das auch nicht so schlimm«, schränkt er ein.
    »Und wieso heute?«
    Jetzt erscheint eine steile Falte auf seiner Stirn. »Weil dieser Typ da aufgekreuzt ist und in seinem Kasernenton rumgeschrien hat …«
    »Das fand ich auch furchtbar.«
    Simon schüttelt wieder den Kopf. Er schultert den Rucksack und geht an mir vorbei. In der Tür dreht er sich um. »Warum bist du ihm denn nachgelaufen? Ich meine, der rauscht hier herein, brüllt dich an, und du rennst ihm auch noch hinterher?« Er hebt die Hand, als ich ihn unterbrechen will, um zu erklären, dass Andreas manchmal einfach ein Hitzkopf ist, es aber eigentlich nie so meint. »Nein, Franzi, lass mal. Ich brauch jetzt ein bisschen Abstand.« Und dann stampft er aus dem

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