Kleine Sünden erhalten die Liebe
Klingeln kommen. Das ist alles. Und eine der Glocken ist zerbrochen. Sie klingt nicht mehr, sondern gibt nur noch einen dumpfen Ton von sich.«
»Interessant ist sie trotzdem, weil sie aus dem ursprünglichen Museum stammt.«
»Das ist richtig. Die meisten Leute nehmen sie nicht wahr, weil sie sich in dem Glaskasten befindet.«
Ich ging zu dem Schaukasten hinüber und las die kleine Tafel. Kinetische Skulptur von Monroe Tichy, 1890. Dann berührte ich das Glas mit einer Fingerspitze und spürte eine leichte Vibration und Wärme. Ich war sicher, dass Hatchet das auch bemerkt hatte.
Diesel und Carl stellten sich neben mich und betrachteten den Apparat von Monroe.
»Ich spüre eine Vibration«, teilte ich Diesel mit. »Und der Museumsführer sagte, dass eine der Glocken nicht mehr läutet. Das könnte sich auf den ersten Teil des Spruchs beziehen, in dem es heißt, dass Schweigen mehr sagt als Worte.«
»Die Glocke ist in einem Museum in einer Glasvitrine«, stellte Diesel fest. »Warum muss immer alles so furchtbar kompliziert sein?«
»Vielleicht wird die Botschaft sichtbar, wenn wir die Kugel in Bewegung setzen«, meinte ich. »Kannst du sie nicht anstoßen? Ich meine, sie durch deine Gedanken in Schwung bringen oder so etwas?«
»Das liegt nicht im Rahmen meiner Fähigkeiten. Ich kann auch keine Kuh fliegen lassen.«
Wir starrten auf den Schaukasten. Die Skulptur sah aus wie etwas aus einem Geschenkeshop. Wie eines dieser Dinger für den Schreibtisch, die man Leuten schenkte, die bereits alles hatten.
»Aber Schlösserknacken kannst du noch, oder?«, sagte ich. »Na los, mach den Schaukasten auf.«
»Okay. Am unteren Rand, wo der Kasten mit dem Podest verbunden ist, befindet sich ein kleines Schloss. Es gleicht diesen kleinen Schlössern, die man in Kaufhäusern an den Schmuckvitrinen sieht. Aber was soll ich tun, wenn ich das Schloss geöffnet habe?«
»Ich schätze, du musst das Ding stehlen.«
»Hast du dafür auch einen Plan?«
»Carl und ich werden für Ablenkung sorgen, du steckst den ganzen Apparat in deinen Rucksack und verschwindest damit.«
»Und wenn sie mich schnappen?«
»Dann werde ich schwören, dich noch nie in meinem Leben gesehen zu haben.«
»Ich nehme an, das könnte klappen«, meinte Diesel.
»Und wenn nicht, dann musst du dich eben aus dem Knast befreien.«
»Das klingt nicht gut«, sagte Diesel.
Ich lächelte ihn an. »Wenn du dich nicht erwischen lässt, werde ich heute Abend nett zu dir sein.«
Er zog kaum merklich die Augenbrauen nach oben.
»Wie nett?«, erkundigte er sich.
» Sehr nett.«
»Legst du dich nackt ins Bett?«
»Nein, aber ich backe dir Kekse.«
Er grinste mich an. »Darauf lasse ich mich nicht ein. Wenn ich das durchziehe, musst du nackt ins Bett kommen.«
»Das könnte mich dazu verleiten, dich auffliegen zu lassen.«
Er schüttelte den Kopf. »Das kannst du nicht machen. Wir müssen schließlich diesen Auftrag gemeinsam zu Ende bringen.«
»Wäre es nicht frustrierend, wenn ich nackt im Bett läge?«
»Damit komme ich schon klar.«
Ja, dachte ich, aber was ist mit mir? Mir fiel es schon schwer, mich zurückzuhalten, wenn ich komplett bekleidet war.
»Wir werden sehen«, sagte ich ausweichend. »Versuch lieber, dich nicht erwischen zu lassen.«
Diesel legte seine Hand auf den unteren Rand der Vitrine und fuhr mit seinen Fingern langsam über das kleine silberne Schloss. »Erledigt. Jetzt bist du dran.«
Ich schaute zu Carl hinunter. »Du musst jetzt hier für Chaos sorgen«, erklärte ich ihm. »Wir müssen alle von Diesel ablenken. Und wenn ich pfeife, rennst du zu dem Aufzug und verschwindest.«
»Chee«, erwiderte Carl. Und reckte seine Daumen in die Luft.
In unserer Nähe befanden sich ungefähr zwanzig Leute und der Museumsführer. Carl flitzte quer durch den Raum, schnappte sich die Handtasche einer Frau und rannte damit davon.
»Meine Tasche!«, kreischte die Frau. »Das haarige Kind hat mir meine Handtasche gestohlen!«
Alle drehten sich zuerst zu der Frau um und folgten dann Carl mit ihren Blicken. Carl hob die Tasche über seinen Kopf und schnatterte. »Chee, chee, chee!«
»Das ist kein Kind. Das ist ein Affe!«, rief jemand. »Schnappt ihn euch.«
Der Museumsführer griff nach seinem Telefon und rief den Sicherheitsdienst an, und alle Personen in dem Raum rannten hinter Carl her. Mütter, Väter, Kinder und eine alte Lady auf einem Elektromobil jagten Carl.
Carl kletterte auf die Excogitation-Skulptur und leerte, oben
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