Kleine Sünden erhalten die Liebe
durchtränktes Stück Papier aus meiner Hosentasche und faltete es vorsichtig auf. »Das habe ich von der Tafel am Key House abgeschrieben. Es ergab keinen Sinn, aber jetzt glaube ich, dass es uns den Weg aus der Höhle zeigen könnte.«
Diesel nahm mir den Zettel aus der Hand. »Es beginnt mit W .«
Hatchet hastete zu dem W-Tunnel, und die Ratten huschten hinter ihm her.
»Hör mal«, sagte Diesel zu Hatchet. »Du bist der Letzte in der Reihe. Ich will nicht auf deine Ratten treten.«
Hatchet wich zurück, und Diesel ging voran in den Tunnel. Wir bogen um eine Ecke, das Licht verlosch, und wir waren in tiefe Dunkelheit getaucht. Ich legte meine Hand auf Diesels Rücken und blieb dicht bei ihm. Ich konnte hören, wie Hatchet hinter mir herstolperte und ihm die Ratten quiekend folgten.
Diesel blieb abrupt stehen. Ich prallte gegen seinen Rücken, und Hatchet stieß gegen mich, und ich spürte, wie die Ratten über meine Füße trippelten.
»Meine Güte«, stieß ich hervor. Mir lief es kalt über den Rücken, und ich hatte Mühe, einen Schrei zu unterdrücken.
Hatchet trat einen Schritt zurück, und die Ratten folgten ihm.
»Könntest du mich in Zukunft vorwarnen, wenn du so abrupt stehen bleibst?«, sagte ich zu Diesel.
»Tut mir leid. Ich habe vergessen, dass du nichts siehst. Wenn wir den Buchstaben auf der Tafel folgen wollen, müssen wir jetzt hier entlang, wo SW steht.«
Im Dunkeln verliert man schnell das Zeitgefühl. Ohne eine Uhr, auf der man die Minuten vorüberstreichen sieht, erstreckt sich die Zeit endlos lang, oder sie scheint geradezu dahinzufliegen, je nachdem, wie sehr man das Abenteuer genießt. In diesem Fall kam mir unser Marsch wie eine Ewigkeit vor. Wir blieben stehen, wenn Diesel sich das Stück Papier wieder ansehen musste, und trotteten dann weiter. Schließlich erreichten wir einen kleinen Raum mit einer hohen Decke. Dort befand sich wieder ein Spalt, der ein wenig Licht hereinließ. Ich sah, dass wir die Wahl zwischen zwei Tunneln hatten. Diesel rührte sich nicht.
»Wo geht es weiter?«, fragte ich ihn.
»Ich habe keine Ahnung«, gab Diesel zu. »An dieser Stelle ist die Tinte auf dem nassen Papier verschmiert. Ich will uns nicht in einen Tunnel mit Fallen führen.«
Einige der Ratten ließen von Hatchet ab und rannten in einen der Tunnel hinein.
»Wir sollten den Ratten folgen«, schlug ich vor. »Wenn wir Glück haben, suchen sie nach Futter.«
Schon nach wenigen Schritten befanden wir uns wieder im Dunkeln. Ich ging hinter Diesel her und hielt mich mit beiden Händen an seinem T-Shirt fest. Zweimal stieß ich mit dem Fuß gegen etwas und ging davon aus, dass es sich um Ratten handelte. Mittlerweile hoffte ich sogar, dass es Ratten waren, denn ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, was es sonst sein könnte.
»Ich bleibe jetzt stehen«, kündigte Diesel uns an. »Wir haben eine Leiter erreicht. Und ich sehe am oberen Ende eine Luke. Ihr bleibt hier, bis ich die Klappe geöffnet habe.«
Ich wartete in der Dunkelheit und lauschte, wie Diesel die Leiter hinaufkletterte. Ich hörte ein kratzendes Geräusch, und Diesel befahl mir, ihm zu folgen. Vorsichtig stieg ich nach oben, und Diesel hob mich in eine kleine dunkle Kammer.
»Ich glaube, wir befinden uns hinter einer eingezogenen Wand«, meinte er.
Ich spürte, wie er die Wand abtastete, dann hörte ich ein weiteres Kratzen, und die Wand drehte sich und gab einen Raum mit einem zementierten Boden frei. Durch einige kleine Fenster hoch oben fiel Licht. Kisten und Farbeimer waren auf einer Seite aufgestapelt. Dahinter befand sich ein Wasserboiler.
»Wir sind in einem Lagerraum«, stellte Diesel fest. »Entweder ist das hier ein Unterrichtsgebäude oder ein Studentenwohnheim.«
Diesel rief zu Hatchet hinunter, dass er heraufkommen könne, und Hatchet tauchte kurz darauf auf und rappelte sich hoch. Eine der Ratten hatte ihn begleitet. Sie sah sich um und verschwand rasch wieder auf der Leiter nach unten. Wir schlossen die Falltür und schoben die Wandtür zurück. Und dann verpasste ich Hatchet einen Schlag ins Gesicht.
»Das ist für Glo«, erklärte ich.
Hatchets Nase blutete, und Diesel grinste.
»Fühlst du dich jetzt besser?«, fragte Diesel mich.
»Nein.«
Ich war zwar nicht mehr tropfnass, aber meine Kleidung war noch feucht und von dem Weg an den schmutzigen Wänden entlang schlammverschmiert. Und jetzt, wo ich vor Angst nicht mehr halb tot war, begann ich zu frieren.
»Wir brauchen trockene Kleidung«,
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