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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Dowling
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einen Anflug von Schuldgefühl. Nicht, weil JJ es ihr verboten hätte - was für eine Vorstellung! sondern, weil sie gerade zum ersten Mal an diesem Tag an ihn dachte. Es kam ihr wie ein Verrat vor.
    »Gibt es noch Eintrittskarten?«, wollte Michael wissen.
    »Ich habe meine Eintrittskarte schon«, sagte Julia.
    »Ich meine, für uns.«
    Julia war nicht sicher, dass sie ihn richtig verstanden hatte. »Ihr ... ihr wollt auf das Festival?«
    »Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass wir dich allein da hingehen lassen!«
    »Ich werde nicht allein sein. Grace geht mit.« Sie hatte keine Ahnung, ob das stimmte, doch es war die einzige Munition, die ihr geblieben war.
    »Grace!«, schnaubte Michael verächtlich. »Die Frau, die nie da ist, wenn sie gebraucht wird.«
    Julia konnte die beiden plötzlich nicht mehr ertragen und wandte sich an ihren Sohn: »Hattest du Susan nicht zum Auto geschickt?«
    »Doch. Warum?«
    »Sie ist offenbar nicht dort geblieben. Wenn mich nicht alles täuscht, ist sie bei Martine und Gavin im Garten und lässt sich Perlen in die Haare flechten.«
    »Was?« Gillian stöckelte zum Küchenfenster. »O Gott, nein!«, stöhnte sie. »Unser kleines Mädchen ...«
    »Die sind ja nicht für immer drin.«
    Aber Gillian und Michael drängelten sich bereits durch die Tür, um ihre Tochter aus den Klauen der Ungeheuer zu befreien. Die Hintertür fiel ins Schloss, und die Küche war auf einmal wieder luftig und kühl.
    Graces Tomatenpflanzen gediehen nicht. Erstens gab es nirgends ein Anzeichen für Tomaten, und zweitens färbten sich die Blätter an den Rändern schwarz wie die Lungen eines Kettenrauchers.
    Nachdem Julia ihre Besucher verabschiedet hatte, ging sie sich bei ihr Rat holen. »Was kann ich den Tomatenstauden Gutes tun?«, fragte sie. »Mehr Dünger?«
    »Eine anständige Beerdigung«, murmelte Julia, »und hören Sie um Himmels willen auf, sie zu gießen. Sie ersäufen sie ja!« Grace ließ schuldbewusst die Gießkanne sinken. »Die Wurzeln faulen schon - sehen Sie?«, sagte Julia. »Und das gilt auch für das Basilikum. Lassen Sie einfach die Finger davon. Manchmal bekommt ihnen das besser.« Grace war gekränkt. Woher sollte sie das wissen? Sie war eine blutige Anfängerin, was die Gärtnerei betraf. Und hatten sich heute eigentlich alle verabredet, sie der Überfürsorge zu bezichtigen?
    Wütend packte sie den Spaten. Was wusste Natalie schon darüber, was es hieß, Mutter zu sein? Kleinkinder waren ja so leicht zu handhaben! Sie hatten nichts im Sinn als Essen und Schlafen und gelegentlich Aa zu machen. Sie würde sich wundern, wenn Rosie erst einmal zehn wäre und sich CDs von Bands mit anstößigen Namen kaufen wollte. Oder entschied, dass sie auf der linken Pobacke dringend ein Tattoo brauchte. Dann könnte Natalie Ratschläge geben! Sie schien zu glauben, dass man die Kinder einfach nur in die richtige Richtung zu drehen brauchte und sie dann gehen lassen könnte, wobei man sich beglückwünschte, dass man den Mut aufbrachte, »sie gehen zu lassen«! Als Nächstes bekam man Drohanrufe von wütenden Nachbarn zwei Häuser weiter, weil bei ihnen Fensterscheiben zu Bruch gegangen waren, die Schule teilte einem mit, dass der Sprössling nicht zum Unterricht erschienen war, oder die Notaufnahme des Krankenhauses fragte nach, ob man irgendwelche zahnärztlichen Unterlagen griffbereit habe (okay, das war ein wenig weit hergeholt, aber nicht außerhalb des Möglichen).
    Nein, die Grenze zwischen köstlicher Freiheit und krimineller Verantwortungslosigkeit war nur eine haarfeine Linie, und oft brachten Eltern einen Großteil ihres Lebens mit dem Bemühen zu, nicht auf die eine oder andere Seite abzurutschen. Die Leute hatten keine Ahnung, wie schwierig es war, Eltern zu sein. Einerseits wollte man nicht so liberal sein, dass man Vierzehnjährigen im Kinderzimmer Sex gestattete wie zum Beispiel die Mutter von Shane O‘Leary, die ihm und seiner nackten Freundin jeden Morgen Coco Pops brachte, bevor sie die beiden in die Schule fuhr. Andererseits konnte man sie nicht einsperren (obwohl einige von Graces Freunden das schon versucht hatten, allerdings nur mit mäßigem Erfolg). Man musste ein gesundes Mittelmaß finden, was sich in der Theorie wunderbar anhörte, jedoch für gewöhnlich nicht in die Praxis umzusetzen war, sodass man am Ende auf das eine oder andere Extrem zusteuerte.
    Grace war keine Coco-Pop-Mutter. Dabei wäre sie es eigentlich gern gewesen. Würde nicht jede Mutter ihren

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