Kleine Suenden zum Dessert
Noch-nicht-Teenagern am liebsten fünf einfache Kochrezepte beibringen, ihnen die Hausschlüssel und ein Päckchen Kondome in die Hand drücken und in den Sonnenuntergang reiten, um die aufgedröselten Fäden ihres Eigenlebens wieder zusammenzuknüpfen? Es musste herrlich einfach sein, die kleinen Scheusale sich selbst zu überlassen. In diesen Wochen ohne Ehemann und Kinder hatte sie Blut geleckt, und jetzt malte sie sich sehnsüchtig aus, in Zukunft hin und wieder alle Fünfe gerade sein zu lassen und ein Wochenende lang einfach auf die Piste zu gehen. Aber sie würde es nicht tun. Sie war eben nicht so. Verdammt! Grace rammte den Spaten in die Erde und grub triumphierend eine faulende Basilikumpflanze aus. »Weg mit dir!«, schrie sie und schleuderte das Ding in die Hecke. Diese Aktion erschien ihr ausgesprochen symbolträchtig und genau richtig im Licht ihrer Selbsterforschung, und voller Elan ging sie wieder auf das Basilikum los. Es enttäuschte sie ein bisschen, dass es ihr so wenig Widerstand entgegensetzte. Vielleicht würden die Tomaten ihr mehr Gelegenheit zu einem Kampf geben.
»Darf ich Sie mal stören?«
Grace schaute mit hochroten Wangen und einer entwurzelten Pflanze in der Hand auf. Ein Mädchen schaute sie aus ein paar Metern Sicherheitsabstand schüchtern an.
»Hi«, begrüßte Grace sie. »Ich bin beim Jäten.«
Sie schätzte das Mädchen auf Anfang zwanzig. Es hatte lange Haare in einer faden Farbe zwischen blond und braun, war knabenhaft schlank und trug das typische Outfit der Aktivisten: ausgebleichte Jeans und weites, buntes Hemd. Und einen Rucksack über der Schulter. »Wenn Sie zu Martine wollen - die ist vorne irgendwo, glaube ich.« Grace wandte sich wieder dem Basilikum zu.
»Ich will nicht zu Martine.«
Grace versuchte, den Akzent zu lokalisieren. Südafrika? Es würde sie nicht überraschen: Gestern waren zwei Aktivisten aus Kuba angekommen!
»Wohnt Adam hier?«, fragte das Mädchen. Damit war klar, woher die Kleine stammte: aus Tasmanien. Mit plötzlich wild klopfendem Herzen richtete Grace sich auf und legte den Spaten aus der Hand. Ja, sie hatte Recht: der Gepäckaufkleber der Fluggesellschaft auf dem Rucksack bezeugte es.
»Amanda, stimmt‘s? Ich bin Grace. Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
Sie streckte die Hand aus. Das Mädchen zögerte verwirrt. »Adam hat mir von Ihnen erzählt«, erklärte Grace ihr.
»Wirklich?« Rührende Hoffnung malte sich auf dem kleinen, schmalen Gesicht, und Graces Vorurteile gegen Babe schmolzen. Dieses Mädchen hatte noch nie in seinem Leben ein rosa Handy besessen! (Allerdings hatte sie Geld: Ihre Laufschuhe kosteten mehr, als Grace in der Woche für Lebensmittel ausgab. Grace wusste von ihren Jungs, wie viel man für Designerklamotten hinlegen musste.)
»Ich hätte wahrscheinlich lieber nicht kommen sollen«, sagte Amanda mit einem ängstlichen Blick über ihre Schulter. »Wir haben vorgestern Schluss gemacht.«
Grace schluckte ein mitfühlendes »Ich weiß« hinunter und sagte stattdessen »Mann!«, ein Wort, das sie ihrer Erinnerung nach bis dahin noch nie benutzt hatte.
»Er sagte, es sei am besten so«, setzte Amanda kummervoll hinzu.
Grace nickte bedauernd. Was für eine Scheinheiligkeit! »Vielleicht hat er es ja gar nicht ernst gemeint«, murmelte sie.
»Ich denke doch.«
Die Kleine sah so niedergeschlagen und jämmerlich aus, dass Grace herausplatzte: »Also wirklich, Mädchen! Sie haben doch nicht diese weite Reise gemacht, um ihm mit einem solchen Gesicht gegenüberzutreten!«
Amanda schaute sie an wie ein erschrockenes Reh. Grace hatte sich Adams Freundin wesentlich couragierter vorgestellt.
»Glauben Sie, dass er mich vielleicht wiederhaben will?«, fragte Amanda kleinlaut.
»Woher soll ich das wissen?«, antwortete Grace ungeduldig mit einer Gegenfrage. »Sie haben doch noch gar nicht richtig mit ihm gesprochen. Was kann man in einem kurzen Telefonat schon klären?« Als sie Amandas verdutzten Ausdruck sah, wurde ihr bewusst, dass sie zu viel gesagt hatte, und so beeilte sie sich hinzuzufügen: »Ich nehme doch an, dass es am Telefon passierte ...«
»Ja.« Amanda wurde ein wenig lebhafter. »Er hat es mir nicht einmal persönlich gesagt. Und es kam mir so vor, als würde er den Text ablesen - und ich kam kaum zu Wort.«
»In einer solchen Situation ist das Telefon ein Teufelsding«, meinte Grace. »Besonders, wenn es sich um ein Ferngespräch handelt.«
»Sie sagen es«, bekräftigte Amanda. Sie war eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher