Kleine Suenden zum Dessert
einfach, anstatt herumzustehen und zu schwafeln?, dachte Julia. Die Polizei war lax geworden. »Schauen Sie«, fuhr er fort, »ich habe Sie alle heute hierher in Julias Haus gebeten, damit wir versuchen können, die Sache privat zu regeln, bevor sie ... offiziell wird.«
»Ich will immer noch Anzeige erstatten«, verkündete Julia trotzig.
»Ich ebenfalls«, stimmte Gillian ein.
»Was?« Julia sah sie verblüfft an.
»Du bist nicht die Einzige, die sich über diesen Vorfall erregt, weißt du. Mein Ruf ist beschädigt durch diese gemeine, verletzende und unwahre Behauptung.«
»Erzähl das dem Gericht«, erwiderte Julia großtuerisch. Sie fragte sich, ob Geschworene anwesend sein würden. Michael schwieg noch immer. Er musste inzwischen doch begriffen haben, wen er da geheiratet hatte: eine bösartige, rachsüchtige Person, die sich darauf verlegt hatte, eine arme alte Frau zu terrorisieren. Es überraschte Julia, dass er sie noch nicht verlassen hatte.
Sergeant Daly zog seine Notizen zurate. »Hat es weitere Anrufe gegeben, Julia?«
»Nein.«
»Nur den einen?«
»Ja.« Aber ein Anruf genügte, um einen Menschen zu verängstigen - vor allem, wenn man wusste, wie angeschlagen er war.
»In Ordnung ...«, sagte er in deutlich zweifelndem Ton. Glaubte er, sie hätte sich das alles ausgedacht oder was?
»Warum verhaften Sie sie nicht?«, wollte sie wissen. »Sie hat ein Motiv!«
»Nämlich welches?«, geiferte Gillian.
»Ich war nicht bei deinem Wohltätigkeitsfrühstück für die tauben, alten Fürze.«
»Sie sind nicht taub!«, fuhr Gillian auf. »Sie leiden an Tinnitus!«
»Ich habe eine abgeschwächte Form davon«, berichtete Sergeant Daly. »Es ist unheimlich lästig.«
»Ich gebe Ihnen nachher die Nummer unserer Anlaufstelle«, erbot Gillian sich.
Sie schmierte ihm Honig ums Maul. Oh, die falsche Schlange wusste, wie man Gesetzesvertreter weich klopfte!
»Ich dachte, wir wären hier, um über obszöne Anrufe zu reden«, sagte Julia mit lauter Stimme.
»Das sind wir auch.« Sergeant Daly klappte unnötig heftig sein Notizbuch zu. »Ich hatte gehofft, wir könnten die Geschichte mit einem minimalen Aufwand an Peinlichkeit aus der Welt schaffen, Julia. Aber ich muss Ihnen sagen, dass die Überprüfung einiger Gesprächsnachweise ergeben hat, dass der Anruf bei Ihnen am Mittwochabend nicht von dem Privatanschluss Ihrer Schwiegertochter kam.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut.«
Julia zermarterte sich das Gehirn nach einer Lösung. »Könnte er von ihrem Handy gekommen sein?«, fragte sie schließlich kleinlaut.
»Gillian lag zur fraglichen Zeit neben mir im Bett«, meldete Michael sich endlich zu Wort. »Du beschuldigst die falsche Person, Mammy.«
Er schaute sie eiskalt an - als wäre sie hier die Böse. Nach all den verletzenden Dingen, die Gillian zu ihr gesagt hatte war es da ein Wunder, dass sie angenommen hatte, der Anruf käme von ihr?
»Es tut mir Leid, dich fälschlich beschuldigt zu haben«, sagte sie hölzern zu Gillian. »Das muss sehr kränkend für dich gewesen sein, und ich entschuldige mich.« Sergeant Daly stieß einen tiefen Seufzer aus. »Dann ist das ja wohl geklärt.« Er wandte sich Michael und Gillian zu. »Ich bedauere sehr, dass ich Ihnen das nicht ersparen konnte - aber Sie werden begreifen, dass ich der Sache nachgehen musste.«
»Natürlich«, murmelten Michael und Gillian.
»Und denken Sie an meine Worte: Es sind hier offensichtlich ... Einflüsse von außen am Werk.«
»Das wissen wir!«, erklärten Michael und Gillian grimmig. Und dann schüttelten sich alle die Hand. Julia war empört. Niemand erwähnte die Aufregung, in die sie versetzt worden war. Niemand äußerte Mitgefühl, weil sie sich jetzt vor ihrem eigenen Telefon fürchtete. Sergeant Daly sagte: »Es gab in jener Nacht Probleme in der Zentralvermittlung. Eine ganze Reihe von Leuten beschwerten sich über Summgeräusche in der Leitung.«
»Ich kann ein Summgeräusch sehr wohl von einem Atemgeräusch unterscheiden«, erklärte Julia beleidigt, doch es war ihr bewusst, dass sie sich kindisch anhörte. Sergeant Daly unterstellte ihr, dass sie sich verhört hatte. Spielten ihre Ohren ihr vielleicht tatsächlich Streiche? »Und Sie wissen doch auch gar nicht, ob der Anruf für Sie war«, fuhr Sergeant Daly fort. »Er kann genauso gut für einen Ihrer Pensionsgäste gewesen sein, von denen Sie ja derzeit eine ganze Menge haben, wie ich hörte. Haben Sie sich erkundigt, ob einer von ihnen einen Anruf
Weitere Kostenlose Bücher