Kleine Suenden zum Dessert
wirklich.«
»Wie kommt es, dass du dich so dafür interessierst?«
»Ich? Ich interessiere mich nicht die Bohne dafür!«
»Du scheinst auch Adam sehr gut zu kennen.«
»Wir haben einen Monat unter demselben Dach gewohnt, Ewan - da lernt man jemanden zwangsläufig kennen.« Diese Aussage war strittig. Sie und Ewan hatten über ein Jahrzehnt unter demselben Dach gewohnt, und er hatte so gut wie keine Ahnung, was in ihrem Kopf vorging. »Weißt du, was? Adam ist für dieses Gespräch nicht von Belang.«
Sie versuchte nicht, sich aus der Affäre zu ziehen - aber auf ihr Intermezzo einzugehen, würde die Dinge nur unnötig komplizieren.
»Würdest du mir bitte sagen, worum es bei diesem Gespräch geht? Ich habe nämlich keinen blassen Schimmer.«
»Um uns«, verkündete sie.
Es hatte schon den ganzen Tag herumgewabert. Eigentlich schon den ganzen Monat. Genau betrachtet schon ein paar Jahre.
»Ich glaube nicht, dass ein Rockfestival der richtige Rahmen für eine solche Grundsatzdiskussion ist«, erwidert Ewan.
»Wir können auch nach Hause fahren und dort reden. Meine Meinung wird sich dadurch allerdings nicht ändern.«
»Und was ist deine Meinung?«, fragte er zornig. »Dass unsere Ehe dir nicht mehr passt?«
»Wir sind nicht mehr die Menschen, die wir waren, als wir uns vor fünfzehn Jahren kennen lernten, Ewan.«
»Da hast du Recht. Wir sind ein Ehepaar, das eine Verpflichtung zueinander eingegangen ist. Und wir sind Eltern zehnjähriger Zwillinge.«
Damit hatte er Recht - aber sie war wütend auf ihn, weil er sich nicht schämte, zu emotionaler Erpressung zu greifen. »Ja, Ewan. Zehnjähriger Zwillinge, die das Recht haben, mehr zu erwarten, als sie im Moment bekommen. Und wir haben das Recht, mehr voneinander zu erwarten.«
»Na so was!«, rief er höhnisch. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du dich der Familie zuliebe von mir trennen willst! Das hättest du mir sagen sollen.«
Sie seufzte. »Hör auf. Ich weiß, dass es nicht einfach wird. Ich weiß, dass es nicht ohne Herzweh abgehen wird. Und wenn es eine andere Möglichkeit gäbe ... aber es gibt keine. Nicht für mich.«
Ihre Worte fegten wie ein eisiger Windstoß durch ihr Ehehaus. Die Umstehenden erhofften sich eine unterhaltsame Eskalation, aber Grace und Ewan standen sich wie erstarrt gegenüber, äußerlich zu weit voneinander entfernt, um den Eindruck eines Paares zu vermitteln, und doch durch unsichtbare Bande verbunden.
Schließlich sagte Ewan: »Ich möchte dir nichts unterstellen, Grace, aber falls ... falls in meiner Abwesenheit etwas ... etwas geschehen ist...« Er holte tief Luft. »Falls du wogen eines anderen Mannes so durcheinander bist, wäre ich dir nicht böse. Ich würde mich bemühen, es zu begreifen. So etwas kann jedem passieren. Man bildet sich ein, etwas Besseres gefunden zu haben, und dabei ist es nur ein Strohfeuer, und dann kommt man wieder zur Vernunft und kehrt zu seiner Familie zurück, wo man hingehört. Ja, ich könnte es verstehen, wenn es dir so ergangen wäre, Grace. Ich könnte dir vergeben.«
Wenn sie ihm jetzt die Wahrheit über sich und Adam erzählte, würde er ihr nicht glauben, dass sie in ihrer Ehe unglücklich war. Er würde denken, ein junger Hengst habe ihr den Kopf verdreht und er müsse ihr nur wieder zurechtgesetzt werden.
Er wartete. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Aufrichtig sein und seine »Vergebung« ertragen? Oder den Mund halten und fliehen, solange sie noch die Möglichkeit hatte?
Um sie herum wurde ein Raunen laut. »Schaut mal! Schaut mal!«
Alle zeigten zur Bühne, und in dem Moment, als Grace sich umdrehte, gingen dort alle Lichter aus und die Musik verstummte abrupt. Es war, als habe jemand den Hauptstecker herausgezogen.
Die Musiker standen mit ihren stummen Instrumenten linkisch da und schauten ratlos herum. Der Leadsänger wandte sich der Kulisse zu und sagte etwas. Man konnte es auf die Entfernung nicht verstehen, doch es war sicherlich nichts Freundliches.
Plötzlich kam eine in ein MOX-Transparent gehüllte Gestalt aus der Kulisse gestürmt, entriss dem erschrockenen Sänger das Mikrofon und schubste ihn beiseite.
»Adam!«, schrie Martine von oben. Grace kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Ja, es war tatsächlich Adam. »Was hat er vor?«, fragte Ewan.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete sie. ›Wir reden späten, hatte er vorhin gesagt. Wollte er Ewan, ihren Freunden und ihren Kindern vielleicht via Mikrofon mitteilen, dass sie eine
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