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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Dowling
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Statue, mit bleichem Gesicht und erweiterten, auf einen Punkt in der Unendlichkeit fixierten Pupillen.
    »Nick! Nick! Alles klar?«, fragte Charlie. Auch diesmal antwortete er nicht. »Hör auf damit, Nick! Das ist nicht komisch!« Besorgt wandte sie sich an Grace: »Was zum Teufel ist los mit ihm?«
    »Oh, so ist er immer vor einem Auftritt«, erklärte Grace gelassen.
    »Was?«
    »Er hat Lampenfieber. Für gewöhnlich vergeht es rechtzeitig.«
    »Für gewöhnlich?«
    »Einmal ist er durch den Notausgang geflüchtet. Stimmt‘s, Nick?«
    »Großer Gott!«, hauchte Charlie.
    »Aber das war in der Anfangszeit«, ergänzte Grace hastig. »Es ist am besten, ihn in Ruhe zu lassen.«
    Doch Charlie sagte: »Er braucht ein bisschen Zuspruch.« Sie baute sich vor Nick auf und klopfte mit den Fingerknöcheln an seine Brust. »Hör zu, Freund! Du wirst in zehn Minuten auf die Bühne gehen. In diesem Moment sitzen zweihunderttausend Menschen vor ihren Fernsehgeräten. Unsere Zukunft hängt davon ab, wie du dich da draußen machst.«
    Nick stieß einen tiefen Raubtierlaut aus und würgte dann, als würde er sich in hohem Bogen übergeben. Charlie wich erschrocken zurück.
    »Wie wär‘s mit einer Tasse Tee, Schätzchen?«, änderte sie ihre Taktik. »Nein? Oh - ich weiß was: Hasch! Das wird dich entspannen. Ich organisiere dir schnell was, okay?« Sie verließ eilends die Garderobe und winkte hektisch einem vorbeieilenden Mitglied des Aufnahmeteams zu.
    »Ich bin gleich fertig«, verkündete Grace und legte geschickt einen neuen Abnäher. Sie hatten letzte Woche in ihrem Kurs alles über Abnäher gelernt: Wie entscheidend sie für die Form eines Kleidungsstücks waren und, noch wichtiger, für den Fall des Stoffes. Natürlich hatten sie sie auf dem großen Zuschneidetisch ordentlich ausgemessen und markiert und dann mit glänzenden Nähmaschinen genäht, doch das hier war ein Notfall, und in einem Notfall musste es eben auch anders gehen. »Ich weiß den Text nicht mehr!«, jammerte Nick. »Ich kann mich nicht einmal an die erste Zeile erinnern!«
    »Natürlich kannst du das«, sagte Grace besänftigend. »Du wirst nicht einmal nachdenken müssen. Sobald du die Musik hörst, ist alles wieder da.«
    »Diesmal nicht. Ich kann da nicht rausgehen, Grace!«
    So panisch hatte sie ihn noch nie erlebt. »Es ist doch nicht anders als bei deinen Auftritten mit den Steel Warriors, Nick.«
    Er schaute sie ungläubig an. »Ein Auftritt beim Feuerwehrball vor zweihundert Leuten soll dasselbe sein wie heute? Wie in der Stadthalle von Tuam vor fünfzig Leuten? Du hast doch gehört, was Charlie gesagt hat: Es schauen heute Abend zweihunderttausend zu! Und alle hoffen, dass ich Mist baue! Es ist krank! Ja - total krank!«
    Jede Woche würden Zuschauer ihre Stimme abgeben, und jede Woche würde der Kandidat mit den wenigsten Stimmen ausscheiden, bis schließlich der Gewinner übrig bliebe und als Vertreter Irlands zum Grand Prix geschickt würde. Es war, wie Nick sich empörte, eine supergemeine Methode, die sich die Macher ausgedacht hatten, um die blutrünstigen Reality-Show-Freaks zufrieden zu stellen. Und die Nutznießer der Telefongebühren für die Hotline, natürlich.
    »Hast du die anderen gesehen, Grace?« Nick deutete mit dem Daumen in die Richtung der übrigen Garderoben. »Sie sind alle um die zwanzig.« Im selben Alter wie Adam. »Sie tragen Leder und BH-Tops und sind bermudagebräunt. Und sie haben alle noch ihre eigenen Haare!« Er schaute sich im Spiegel an. »Und hier bin ich: Ein Altrocker in einem albernen Rüschenhemd, der was über Schmeicheleien singt.«
    »Mach dich nicht so runter. Der Song ist gut. Wirklich!«
    Er hatte den Text völlig umgeschrieben, hatte Charlie gedroht, alles hinzuschmeißen, wenn sie sich quer legte. Jetzt kam das Wort Schmeichelei nicht mehr vor. Das Lied erinnerte zwar immer noch stark an Dana, aber, wie Nick argumentierte, knüpften die Leute eine bestimmte Erwartung an den irischen Beitrag zum Grand Prix und er wollte sie nicht enttäuschen.
    »Sie werden auch zuschauen«, murmelte er.
    »Wer?«
    »Derek und Vinnie.« Die beiden anderen Musiker der Steel Warriors. »Vinnie hat mich angerufen, um mir Glück zu wünschen - aber er konnte kaum reden vor Lachen.«
    »Ich bin sicher, dass das nicht stimmt. Und wenn doch, dann ist er schlicht und einfach neidisch.«
    »Sie werden es sich bei ihm zu Hause anschauen. Derek bringt Popcorn und Bier mit. Das Popcorn hat er zweimal erwähnt, Grace!«
    »Es

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