Kleine Suenden zum Dessert
bleibt bei der Versicherung.«
»Ist ja toll!«, meinte Grace sarkastisch.
»Seine Frau ist wieder schwanger.«
»Weißt du, warum nichts aus euch geworden ist? Weil du der Einzige warst, der hundert Prozent gegeben hat, Nick.«
»Vielleicht war das dumm von mir.«
Grace war entsetzt. »Sag das nie wieder!«
»Warum nicht? Ich bin fünfunddreißig, Grace - und sieh mich an! Eine gescheiterte Band, eine gescheiterte Ehe, drei Kinder, die sich niemals meine Platten angehört haben - sie stehen auf Hip-Hop, großer Gott! Ich habe kein Geld, keine Qualifikationen, keine Wohnung ...«
»Keine Wohnung?«
»Hab ich dir das nicht erzählt? Ich bin irgendwie mit der Miete in Verzug geraten. Ist es okay, wenn ich hier bleibe, bis ich was gefunden habe?«
»Ahhh ...«
»Danke. Jedenfalls ist alles aus. Ich habe gestern meine Gitarre verkauft und mir von dem Erlös Computerlehrbücher besorgt. Ich fange ein neues Leben an.« Als sie nichts sagte, meinte er: »Du könntest mir wenigstens Glück dafür wünschen.«
»Entschuldige. Es fällt mir einfach schwer, das alles zu begreifen.«
»Mir auch«, sagte er traurig.
»Erinnerst du dich noch an euren ersten Auftritt?«, fragte sie nach einer Weile. »Als musikalische Unterstützung bei dem Feuerwehrball?« Sie war sechzehn gewesen und halb verrückt vor Aufregung, als ihre Eltern sagten, sie dürfe hingehen.
»Mein Gott, ja«, sagte Nick. »Derek hatte sich mit Apfelwein voll laufen lassen, und Vinnie war so nervös, dass er nicht mehr wusste, wie man eine Gitarre stimmt.«
»Aber du warst einsame Spitze«, rief Grace. »Du standest auf der Bühne, als gehörte dir der Laden! Zeigtest dem Publikum die Notausgänge und drohtest, du würdest sie mit dem Kopf zuerst vor die Tür befördern, wenn sie nicht aufhörten, euch mit Sachen zu bewerfen.«
»Und sie hörten tatsächlich auf.« Jetzt war auch Nick aufgeregt. »Wir schafften es, drei ganze Songs zu spielen, und sie gefielen ihnen! Und deine Freundin ... wie hieß sie gleich? Fidelma?«
»Philomena.«
»Richtig. Wie die am Ende in Ohnmacht fiel. Gott, war das schön!«
»Ja, das war es.« Grace klatschte in die Hände. Danach waren sie alle stundenlang durch Dublin gewandert, zu jung, um in Pubs reinzukommen, und zu aufgedreht, um nach Hause zu gehen. Grace war damals davon ausgegangen, dass dieser Abend der Anfang eines weltweiten Siegeszuges der Steel Warriors sei und sie durch ihre Verwandtschaft mit Nick einen kleinen Anteil daran haben würde - auch wenn sie ihre Musik, nun ja, entsetzlich fand.
Aber das hatte sie natürlich nicht gesagt. Stattdessen ließ sie sich einen damals in der Rockszene angesagten Bob schneiden. Die erste Single der Steel Warriors trug den Titel »Dead Dingo« und verkaufte sich ganz ordentlich. Die nächste Scheibe floppte total, doch Grace glaubte weiter an den Erfolg - und an Nick.
»Wie kannst du es ertragen aufzugeben«, platzte sie heraus. Die Steel Warriors waren sein Leben. Wie schlimm es auch kam - er war immer so sicher gewesen, dass richtig war, was er tat. Solche Menschen beflügelten andere normalerweise. Und jetzt gab er klein bei und sich mit einem Bürojob zufrieden?
»Was habe ich denn zu verlieren?«, gab er zurück. »Vor fünf Leuten aufzutreten?«
»Ihr seid vor mehr als fünf Leuten aufgetreten.«
»Unsere Plattenfirma hat uns fallen lassen, Grace.«
»Na und? Dann findet eine neue!« Warum war er nur so zynisch und hart und abgeklärt? »Ich weiß, dass es schwer ist - aber willst du nicht noch einen Versuch starten?«, flehte sie. »Bist du das dir und den Jungs nicht schuldig?«
»Die Energie aufzubringen, noch ein Album aufzunehmen, damit du fünfzehn Stück kaufen kannst?« Grace wurde rot.
»Ich hab sie in der Garage gesehen, als ich meinen Wagen reinstellte. Willst du sie deinen Dinnerparty-Freunden aufs Auge drücken?«
Sie schaute ihm geradewegs in die Augen. »Ich schenke sie tatsächlich Freunden und sage dazu, wie großartig ihr seid. Wie toll ich es finde, dass ihr an eurem Traum festgehalten habt!«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie ihre Überschwänglichkeit auch schon.
Nick lachte schallend, aber unfroh. »Jeder kann an seinem Traum festhalten, wenn es ihn nicht stört, damit baden zu gehen. Aber damit kennst du dich nicht aus, stimmt‘s?«
Das unbehagliche Schweigen, das seinen Worten folgte, wurde durch ein Klopfen beendet. Hilda Brennan von nebenan streckte den Kopf zur Hintertür herein. »Ich hatte Stimmen
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