Kleine Suenden zum Dessert
für beide Teile nützliches Arrangement - er könnte sein Album fertig stellen und gleichzeitig heimtückischen Einbrechern ihre ruchlosen Pläne versalzen. Ewan war nicht sehr begeistert gewesen. (Das hatte damit zu tun, dass seine Werbe-Jingles »nichts mit richtiger Musik zu tun hatten«, wie Nick bei einem Weihnachtsessen konstatiert hatte, bei dem zu viel Wein konsumiert worden war.) Aber Nick sei immerhin ihr Bruder, hatte Grace ihm entgegengehalten, und sie sollten froh sein, dass er bereit sei, ihnen auszuhelfen. Außerdem wäre es für ihn eine Erholung von der winzigen Wohnung, in die er nach der Trennung von Didi im letzten Jahr gezogen sei. Natürlich hatte sie nicht damit gerechnet, zu Hause zu sein, wenn er käme. Und als sie sah, wie der Tee auf ihren sauberen Küchenboden tropfte, wünschte sie, sie wäre nicht zu Hause.
»Wie geht‘s Dusty und Lennon?«, fragte sie.
Didi und Nick hatten ihre Kinder nach Rockstars benannt, was bei Babys originell gewesen war. Jetzt, mit vierzehn, wollte Dusty sich in Jane umbenennen.
»Großartig. Lennon will nicht mehr zur Schule gehen.«
Nick löffelte Zucker in seinen Tee. Die Hälfte ging daneben und landete auf der Arbeitsplatte.
»Tatsächlich?«
»Ich muss gestehen, dass ich es ihm nicht verübeln kann, wenn man die Staatspropaganda bedenkt.«
»Und was meint Didi dazu?«
»Didi! Sie sagt natürlich, dass er weiter hingehen muss. Dass er, wenn er jetzt aufhört, keine Qualifikationen hat, keine Chance auf einen anständigen Job, dass er sich seine ganze Zukunft verbaut, blablabla.«
»Immerhin ist er erst neun«, gab Grace zu bedenken. Beim Thema Didi war Vorsicht geboten - Nick konnte da sehr empfindlich reagieren.
»Didi hat gesagt, sie wird wahrscheinlich irgendwann mit Lennon vorbeikommen, um die Sache zu besprechen. Geht das in Ordnung, Grace?«
»Kein Problem. Ich hoffe nur, es geht mit eurem Album voran.«
»Mmm.« Er goss Milch in seinen Tee. Auch davon ging ein Teil daneben.
»Wie weit ist es denn überhaupt?«, fragte sie. »Was?«
»Das neue Album.«
»Wir haben noch gar nicht angefangen«, antwortete er.
»Oh. Okay.« Sie hatte gedacht, sie stünden unter Zeitdruck. »Hör mal, ich will nicht zickig sein - aber sag Derek und Vinnie bitte, sie sollen so parken, dass sie niemandem die Ausfahrt versperren, okay?«
Derek und Vinnie waren die beiden anderen Mitglieder der Steel Warriors.
»Sie werden wahrscheinlich nicht oft hier sein.« Er mied ihren Blick.
»Warum nicht?« Sie spielten Leadgitarre und Schlagzeug, um Himmels willen.
»Wir haben einen Richtungswechsel beschlossen«, verkündete er. »Um ehrlich zu sein, ich habe mich schon seit Jahren immer weiter von dem harten Rock entfernt. Er ist zu unreif und laut. Man kann ja kaum meine Texte verstehen.«
»Oh.« Grace bekam jedes Mal Komplexe, wenn er über Musik sprach. Das ging auf ihre Teenagerzeit zurück, als er sie zutiefst dafür verachtete, Duran Duran zu hören, während er in seinem Zimmer The Ramones spielte.
Nick stieß einen Seufzer aus, der die Küche erzittern ließ. »Ich denke, du würdest es irgendwann sowieso erfahren. Die Steel Warriors haben sich getrennt, okay?«
»Was?«
»Die Plattenfirma hat uns letzten Monat fallen lassen. Also gibt es keine Band mehr, kein neues Album, kein Geld, nichts. Und Didi sagt, sie hat es satt, jeden Penny umdrehen und die Kinder in Secondhandklamotten stecken zu müssen. Sie sagt, wenn ich ihr nicht die sechs Monate Unterhalt zahle, die ich ihr schulde, zerrt sie mich vor Gericht. Ist das nicht nett?« Das alles hatte er herausgesprudelt, ohne Luft zu holen. Nach einer kleinen Atempause fragte er: »Hast du was zu essen da? Ich hatte vorhin keine Zeit mehr, weil ich schon spät dran war.«
»Es müsste eine Pizza im Tiefkühler sein«, antwortete Grace, die sich wie betäubt fühlte. Die Steel Warriors hatten sich getrennt! »Und was wirst du jetzt machen, Nick?«
»Einen Computerkurs. In der Conliffe Road.« Das war der nächste Schock. Er beugte seinen langen, schlaksigen Körper und kramte in der Tiefkühltruhe herum. Grace konnte sich ihren Bruder beim besten Willen nicht als Büromenschen mit Schlips und Kragen vorstellen. Er schien dafür geboren zu sein, in Leder auf einer Freilichtbühne herumzuspringen.
»Und was machen die anderen ... äh ... Warriors?«, erkundigte sie sich.
»Derek ist bei Dublin Bus gerade befördert worden. Er hat jetzt die Verantwortung für sechsundneunzig Doppeldecker. Und Vinnie
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