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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Dowling
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Grace und ein Zwanzigjähriger! Grace, der in einer heruntergekommenen Pension Sex angeboten wurde!
    Nun, ja, in der Tat!, antwortete sie ihnen allen trotzig. Dass sie nur eine Seite von ihr kannten, bedeutete nicht, dass sie keine zweite hatte. Wenn diese auch noch in den Kinderschuhen steckte und sich einstweilen in einer Amateurladendiebin mit Karriereambitionen in der Juristerei oder der Pornofilmindustrie erschöpfte. So charakterisiert klang sie richtig interessant, dachte sie. Oder sie könnte es zumindest sein.
    »Also, was ist«, fragte er spöttisch. »Bleibst du oder gehst du?«
    »Ich bleibe.«
    »Was?« Ihre Entschlossenheit verblüffte ihn sichtlich.
    »Ich sagte, ich bleibe. Ich möchte mich auf dich einlassen.«
    »Ahhh ... okay ...«
    »Korrumpiert werden.«
    »Lass uns das nicht zu wörtlich nehmen ...«
    Sie setzte ihm den Zeigefinger auf die Brust und stieß ihn rückwärts aufs Bett. »Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht.«
    Er schaute unsicher zu ihr auf. Das geschah ihm Recht.
    Auf der Heimfahrt dachte Julia über geplatzte Rohre nach. Frank hatte sie oft gewarnt, dass ein Rohrbruch ungeahnte Schäden anrichten könnte. Er erzählte ihr von einem Fall, bei dem das Wasser so hoch gestiegen war, dass die Familie sich nur noch durch die Flucht in einem Boot hatte retten können. Julia wusste nichts über Rohrbrüche, außer dass man immer irgendwo das Wasser zudrehen sollte. Am Haupthahn - ja, das war‘s. Dann wurde ihr klar, dass sie keine Ahnung hatte, wo in ihrem Haus sich der Haupthahn befand.
    Sie benahm sich albern. Es war doch gar nicht Winter. Zu dieser Jahreszeit musste man keine Rohrbrüche befürchten.
    Dann fiel ihr die Drossel ein, die sich vor drei Jahren im Sommer ins Wohnzimmer verirrt hatte, als sie übers Wochenende weg waren. Sie musste panisch herumgeflogen sein, denn sie hatte eine Blutspur auf den Möbeln hinterlassen, bevor sie neben einem Stuhl verendete. Julia war sich plötzlich ganz sicher, dass sie am Tag der Schießerei das Panoramafenster offen gelassen hatte. Was, wenn wieder ein Vogel hineingeflogen war?
    Andere Dinge stürmten auf sie ein, furchteinflößende Dinge ... die lockere Dachbodentür, die im Fall eines Sturms heute Nacht vielleicht zuschlagen würde; der optische Bewegungsmelder im Garten, der schon seit Ewigkeiten kaputt war und sich nicht einschalten würde, um sie vor Eindringlingen zu warnen; die unebenen Dielen im Wohnzimmer, über die sie vielleicht im Dunkeln stolpern würde, und dann würde sie im Fallen ihre Krücken verlieren und könnte nicht zum Telefon, um Hilfe zu holen ... »Sie hat das nicht so gemeint, weißt du«, sagte Michael neben ihr.
    Julia schrak aus ihren Gedanken hoch. »Wie bitte?«
    »Gillian. Sie sagte das nur so in der Hitze des Gefechts.« Menschen wie Gillian sagten niemals etwas nur so in der Hitze des Gefechts. Sie legten sich vorher alles sorgfältig zurecht und hoben es für den richtigen Moment auf. Eiskalt. Ja, das war sie.
    »Es ist mir egal, ob sie es so gemeint hat oder nicht. Ich werde jedenfalls gut allein zurechtkommen«, erklärte Julia energisch.
    Michael seufzte. »Wie willst du allein zurechtkommen? Du bist frisch operiert, um Himmels willen. Es ist doch ganz selbstverständlich, dass wir uns um dich sorgen.«
    »Es tut mir Leid, dass ich allen solche Ungelegenheiten bereite«, erwiderte sie steif.
    »Oh, Mammy. Es ist einfach an der Zeit, der Tatsache ins Gesicht zu sehen, dass du keine junge Frau mehr bist.«
    Ein Leichenwagen bog aus einer Seitenstraße ein und setzte sich vor sie. Na, wunderbar. Julia versuchte, ihren Blick von dem Sarg abzuwenden. Das könnte sie da drin sein, wenn sie die Tabletten geschluckt hätte. Sie war so weit gegangen, sich ihren eigenen Nachruf auszudenken - er war recht dramatisch ausgefallen -, doch sie hatte sich nicht überwinden können, sich in ihrer Phantasie in einen Sarg zu legen. Diese Vorstellung hatte etwas Unappetitliches. Schließlich war die nächste Station eine tiefe Grube, in der eine Horde hungriger Würmer lauerte. Tod. Er war allgegenwärtig. Wie hatte sie sich so danach sehnen können?
    »Wie auch immer«, fuhr Michael fort, »ich sage dir jetzt, wie wir es machen werden.«
    Wieder holte Julia ihre Gedanken in die Gegenwart zurück und zu der aktuellen Situation, die immer noch so auszusehen schien, dass sie für alle ein Problem bedeutete. »Ich schaue jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit bei dir herein und auf dem Heimweg ebenfalls, okay? Und wenn

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