Kleine Suenden zum Dessert
»Warum hast du wieder diese Sachen an?« Es war ihm anzusehen, dass sie ihm nicht gefielen.
»Weil ich mich nun mal so anziehe«, erwiderte sie gelassen.
»Deine Sommersprossen sind weg!«, empörte er sich. »Was hast du da für Zeug im Gesicht?«
»Make-up. Würde es dir etwas ausmachen, jetzt zu gehen?«
»Was?« Er schaute sie fassungslos an.
»Ich muss das Haus in Ordnung bringen, bevor Mrs Carr morgen kommt«, erklärte sie nüchtern. »In Pensionen ist es üblich, um elf Uhr vormittags die Zimmer zu räumen. Darüber bist du schon weit hinaus.«
»Lass den Blödsinn, Grace. Ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung.«
»Hatten wir die?« Sie bemühte sich um eine neutrale Miene. »Nun, ich kann sie leider nicht einhalten, weil ich nach Dublin zurückmuss.«
Er schaute sie lange schweigend an und sagte dann: »Wir haben noch nichts Illegales getan.« Sie spürte ihre Wangen unter dem Puder heiß werden.
»Natürlich haben wir das nicht! Das wollte ich auch nicht andeuten! Ich meine, wir haben uns nur geküsst! Ich meine nicht ›nur‹ ...« Sie rang nach Luft. »Ich will damit sagen, dass Küssen in diesem Land nichts Illegales ist. In anderen Ländern ist das sicherlich anders - in manchen Kulturen wird es nicht gern gesehen, wenn Verheiratete Sex mit Partnern haben, die nicht ihre sind -, aber in Irland gibt es da von oben keine Beschränkungen. Moralisch gesehen ist die Sache nicht ganz einwandfrei, aber vom Gesetz her sind wir im grünen Bereich.«
Adam schaute sie verdutzt an. »Ich sprach eigentlich von Martine, Joey und mir.«
»Oh. Oh!«
Das durfte nicht wahr sein! Graces Knie wurden weich.
Man stelle sich das vor! Da schwafelte sie etwas von Sex mit ihm - sie hatte wirklich und wahrhaftig das Wort Sex ausgesprochen! und er hatte von etwas gänzlich anderem geredet. Er musste ja denken, sie sei besessen von ihm! Aber er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Sie war sich nicht sicher, ob sie das als Erleichterung empfand oder kränkte.
»Wir befinden uns noch in der Planungsphase«, erläuterte er
»Von etwas... Illegalem?«, fragte sie. Das Wort war so köstlich, enthielt so viel Gefahr und Nervenkitzel, dass sie ihr Motel-Gefühl erwachen spürte. (Allmählich fragte sie sich, ob es an der Zeit war, sich professionelle Hilfe zu holen.)
»Na ja ... ich denke schon«, gab er zu. »Es ist die einzige Möglichkeit, die Message rüberzubringen. Glaube ich zumindest. Was Martine angeht...« Er verzog abwertend den Mund.
»Welche Message?«, flüsterte Grace.
»Du meinst, du hast uns im Café nicht zugehört?«
»Nein.« Sie dachte an seine Gewohnheit, ständig die Schuhe auszuziehen. »Wir reden hier doch nicht über Religion, hoffe ich.«
»Guter Gott, nein!« Er schaute sie beunruhigt an. »Sehe ich vielleicht wie so ein durchgeknallter Jesusapostel aus?«
»Nein, nein.« Im Moment sah er wie ein Leckerbissen aus. Der Fußmarsch aus der Innenstadt hierher in der Hitze hatte seiner Haut einen feuchten Glanz verliehen, mit dem andere Männer schlicht unappetitlich verschwitzt gewirkt hätten. Bei ihm weckte der Schweißfilm den Wunsch in ihr, an ihm zu lecken wir an einem Eis am Stiel.
»Also - worum geht es?«, wollte sie wissen.
Er trat dichter an sie heran. Sein Atem roch nach Kaffee und Minnies Apfelstreuselkuchen. »Das ist eine hochbrisante Information.«
Illegal und hochbrisant. Sie begann vor Aufregung zu hecheln wie ein Hund. »Du kannst mir vertrauen«, brachte sie mühsam heraus.
Er nahm sie bei der Hand - sie wäre fast ohnmächtig geworden -, führte sie über den Flur in sein Zimmer und schloss mit dramatischem Nachdruck die Tür hinter ihnen. Sie dachte, er würde sie küssen, hob ihm ihr Gesicht entgegen und hoffte inständig, dass ihre Lippen durch die Hitze nicht zu spröde und trocken geworden waren. Er ließ sie stehen und begann sich eine Zigarette zu drehen.
»Willst du auch eine?«
»Ah ... nein, danke.«
»Klug von dir. Ich wünschte, ich hätte nie damit angefangen«, sagte er düster.
Die Luft war raus, die Situation entzaubert. In Grace stieg der Verdacht auf, dass sein illegales Unterfangen eine Enttäuschung für sie sein würde. Was könnten ein paar Rucksacktouristen auch schon Böses anrichten? Würde er ihr irgendeinen Kreditkartentrick gestehen? Oder einen gerissenen Plan, um die Irish Rail zu betrügen? »Adam - hat das, was du mir da erzählen willst, vielleicht etwas mit Banken zu tun?«, fragte sie hoffnungsvoll. Vielleicht
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