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Kleiner Kummer Großer Kummer

Kleiner Kummer Großer Kummer

Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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- ein reizender Junge -, aber ganz gleich, was es gewesen ist, jetzt ist es schon viel, viel besser.«
    Ich nahm meine Tasche auf.
    Sie redete weiter. »Oh - nein! Gehen Sie noch nicht. Nachdem Sie nun einmal hier sind, können Sie mich gleich einmal gründlich untersuchen. Es muß drei Wochen her sein, daß dieser geldgierige Dr. Anstruther mich gründlich vorgenommen hat, und dann hatte er die Stirn, mir zu sagen, daß ich kerngesund sei, obwohl er ganz genau weiß, wie sehr mir mein Kopf und mein Magen zu schaffen machen. Manchmal überlege ich, ob die Ärzte wirklich irgend etwas wissen, oder ob sie nur so mit all diesen lateinischen Namen herumjonglieren, die wir gewöhnlichen Sterblichen nicht verstehen sollen.« 1 Sie stand auf. »Soll ich mich aufs Bett legen?«
    Ich packte mein Stethoskop aus und sagte »Ja«.
    Als ich endlich von der Hon. Mrs. Magnus-Wight entfliehen konnte, war es nach ein Uhr. Ich hatte noch die Hälfte meiner Be- , suche zu erledigen und hatte noch nicht gegessen. Für eins war ich Wilfred dankbar. Ich wußte jetzt, daß ich niemals eine einzige Mrs. Jones, Mrs. Pickle oder Mrs. Catterwell für zehn Mrs. Magnus-Wights eintauschen würde. Mir lag meine eigene Praxis besser, zu einem Idol der gesellschaftlichen Medizin würde ich nie aufsteigen. Wenn meine Patienten an irgendeiner chronischen Krankheit litten, für die man keine Hilfe kannte, sagte ich ihnen das lieber klipp und klar, als daß ich ihnen irgendeine unnütze Behandlung vorschrieb. Ich hätte es nie fertiggebracht, sie für endlose Spritzenkuren oder Bäder bezahlen zu lassen, wenn der Zustand zum Schluß doch unverändert sein würde. Mir wurde klar, daß es dies war, was die Privatpatienten wünschten, und es gab genug andere Ärzte, die mehr nach ihrem Geschmack waren und sie entsprechend behandelten. Für mich waren Halsschmerzen eben nur Halsschmerzen und keine akute Pharyngitis, ganz gleich, was der Patient mir dafür zahlen würde, wenn ich es so bezeichnete.
    Auf meinem Heimweg rief ich Sylvia von einer Telefonzelle aus an, um zu hören, ob ich noch irgendeinen sehr dringenden Besuch machen mußte oder ob ich erst zum Essen kommen konnte. George Leech, sagte sie mir, hätte einen seiner seltsamen Anfälle und ob ich nicht so schnell wie möglich hinfahren könne. Das Essen müßte warten.
    George, der mich seither jede Woche angerufen hatte, um mir das amerikanische Kabriolett zu verkaufen, das ein ganz besonders günstiges Zweite-Hand-Angebot sei (durch einen seltsamen Zufall waren die Vorbesitzer solcher Wagen immer Vikare oder alte Damen gewesen), aber mit neuwertigen Extravaganzen ausgerüstet, würde sicher - so nahm ich an - einen seiner üblichen schmerzhaften Anfälle haben.
    Als ich ihn untersuchte, merkte ich, daß er mich verstohlen beobachtete, ob ich ihm wohl wieder meine übliche Strafpredigt halten würde.
    George hatte einen langsam wachsenden, aber bösartigen Tumor am Dickdarm. Es war ihm mehrfach von mir und zweimal von Chirurgen, zu denen ich ihn überwiesen hatte, gesagt worden, daß das Gewächs im Beginn mit einer verhältnismäßig guten Aussicht auf Erfolg operativ entfernt werden könnte. George war jedoch einer dieser glücklicherweise seltenen Menschen mit einer fast pathologischen Furcht vor Operationen, die sich bis zum äußersten weigern, die Erlaubnis zum »Aufschneiden« zu geben. Er war Bitten und Drohungen gegenüber unzugänglich, ebenso gegenüber meiner unverblümten Auskunft über das, was passieren würde, wenn er weiterhin den Kopf in den Sand steckte. Aber selbst das Wissen, daß der Tumor ihn unweigerlich töten würde, wenn er zu lange zögerte, konnte ihn nicht umstimmen, ebensowenig wie die immer häufiger auftretenden Schmerzanfälle. Ich gab ihm eine Tablette, um die Schmerzen zu lindern, und setzte mich auf das Bettende, um die Wirkung abzuwarten.
    Er hatte sich in die Kissen zurückgelegt und sah mich unter seinen gesenkten Augenlidern hervor an. »Nun?« fragte er.
    »Nun?«
    »Schwer zu sagen?«
    »Ich hab’ die Nase voll, es Ihnen immer wieder zu sagen, George. Die Schmerzen erinnern Sie ja daran, was in Ihrem Körper vor sich geht. Lassen Sie sich ins Krankenhaus zur Operation bringen. In drei Wochen sind Sie wieder ’raus, und es besteht kein Grund, warum Sie nicht noch weitere dreißig Jahre Wagen verscheuern können.«
    »Nur über meine Leiche, Doktor.«
    »Das könnte sein, George. Sehen Sie, wenn bei einem Ihrer Motoren etwas nicht stimmt, dann reparieren

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