Kleines Herz in Not
anzusehen, dass sie immer noch vor Wut kochte. Sie war wirklich leicht auf die Palme zu bringen. Es gab tausend Dinge, die sie aufregten. Zum Beispiel die Tatsache, dass er den Jungen nicht „Davy" nannte. Und dass er ihr Haar als gefärbt bezeichnet hatte. Beim genaueren Hinsehen musste er allerdings zugeben, dass die Haarfarbe echt war.
Was für eine dominante Frau! Wenn sie bloß nicht so wundervolle lange Beine gehabt hätte. Aber Frauen mit starkem Willen und einer gewissen Aggressivität lagen ihm nun einmal überhaupt nicht. Sie wollten nur beweisen, dass sie stärker waren als jeder Mann. Verstohlen warf er ihr einen Blick zu. Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich Cheyenne Lassiter im Bett vorzustellen. Sie würde eine Unmenge Befehle und Anordnungen erteilen, und ein Mann konnte froh sein, wenn er überhaupt einmal zu Wort kommen würde.
Die Fliege schwamm einsam auf dem Wasser. In diesem Teil des Flusses war nur Fliegenfischen erlaubt. Und selbst wenn man einmal einen Fisch am Haken hatte, musste man ihn wieder zurück in den Fluss werfen. Aber bis jetzt hatte Thomas sowieso nichts gefangen. Aber es war einfach erholsam, einmal nicht zu arbeiten und seinem Hobby nachzugehen. Eigentlich sollte er so etwas häufiger machen. Weg vom Büro. Weg von den Hotels. Weg von der Familie.
Lautes Lachen riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte zum Ufer. Davy hatte viel zu große Gummistiefel an und watete durch das seichte Wasser. Die Schuhe hatte er anscheinend von Cheyenne Lassiter. Der Junge blickte sich suchend um und entdeckte einen großen Stein, der in der Mitte des Gewässers lag. Sieh an, dachte Thomas, Miss Lassiter glaubt ja, sie ist allwissend. Aber von der Tatsache, dass Steine eine enorme Faszination auf kleine Jungen ausübten, hatte sie anscheinend noch nichts gehört. Verärgert watete Thomas auf seinen Neffen zu.
Er war nur noch wenige Meter von ihm entfernt, als das geschah, was Thomas schon befürchtet hatte. Der große, nasse Stein war einfach unwiderstehlich. Davy kletterte hinauf, glitt auf der rutschigen Oberfläche aus und fiel ins Wasser. Erschrocken ließ Thomas die Angel fallen und eilte auf das Kind zu. Er hatte seinen Neffen fast erreicht, als er plötzlich das Gleichgewicht verlor. Er ruderte wild mit den Armen, konnte sich aber nicht mehr halten. Es gelang ihm nur noch, so zu fallen, dass er sich den Kopf nicht an einem der vielen Felsen stieß. Das eiskalte Wasser schlug über ihm zusammen, doch er kam sofort wieder hoch. und entdeckte Davy, der ihm schon entgegenkam.
Sein Neffe grinste übers ganze Gesicht. „Ich bin auch reingefallen, aber ich bin nicht so nass wie du! " Doch ein Blick in Thomas' finsteres Gesicht ließ Davy augenblicklich ernst werden. Erschrocken wich er zurück. „Bist du jetzt auf mich böse, weil du reingefallen bist?"
Warum bloß jagte er dem Jungen unentwegt Angst ein? „Nein." Es war nicht Davys Schuld. Thomas wusste genau, wer diesen Schlamassel zu verantworten hatte. Er setzte sich auf und stellte erst jetzt fest, dass das Wasser an der Stelle, an der Davy hineingefallen war, gerade einmal zehn Zentimeter tief war.
Thomas schloss die Augen und zählte langsam bis zehn. Er hätte natürlich auch ausrechnen können, wie viel Dollar jetzt gerade in Form seiner handgefertigten Angelrute den Fluss herunterschwammen. Aber irgendwie glaubte er nicht, dass es das richtige Mittel sei, seinen Ärger zu besänftigen.
„Alles in Ordnung? Haben Sie sich den Kopf angeschlagen?"
Er öffnete die Augen. „Nein", sagte er zu zwei wirklich aufregenden, nicht enden wollenden Beinen, die sich direkt vor seiner Nase befanden. Miss Lassiter war selber schuld, wenn die Schuhe jetzt ein für alle Mal ruiniert waren, denn die hatte sie offenbar nicht ausgezogen.
„Haben Sie sich verletzt? Soll ich Ihnen aufhelfen?"
„Ich brauche Ihre Hilfe nicht."
„Ach nein?"
„Jetzt passen Sie mal auf, Miss Lassiter ..." Aber er verstummte unvermittelt, als er sah, dass sie ihm seine Angelrute hinhielt. Wasser tropfte von den Aufschlägen ihrer Shorts. „Danke", sagte er widerstrebend.
„Worth hätte mir nie verziehen, wenn ich solch ein teures Gerät nicht gerettet hätte."
Was wohl bedeuten sollte, dass sie das für diesen Worth gemacht hatte und nicht, um ihm, Thomas, einen Gefallen zu tun. Mühsam stand Thomas auf. Er war patschnass. Erstaunlich, dass überhaupt noch Wasser im Fluss geblieben war! Drohend blickte er Cheyenne an. Wenn sie auch nur eine dumme
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