Kleines Herz in Not
Er bringt sie zur Party mit."
Das graue Kleid entglitt ihren Händen und fiel zu Boden. Quint hatte sie verraten. Glaubte er wirklich, dass dieser eine Kuss ihm das Recht gab, ihr Leben auf den Kopf zu stellen?
„Was bildet er sich eigentlich ein?" Wütend wirbelte sie herum. „Warum habt ihr ihm nicht...?" Ein Blick in das schuldbewusste Gesicht ihrer Mutter genügte. „Das habe ich euch zu verdanken, stimmt's? Wieso?"
„Ich liebe dich über alles, Greeley, und ich hoffe, du weißt das", antwortete Mary Lassiter leise. „Ich bin deine Mutter, und ich empfinde für dich das Gleiche wie für Worth, Cheyenne und Allie. Manchmal seid ihr zwar unausstehlich, aber ihr bleibt meine Kinder. Verstanden?"
Greeley sah ihre Mutter fragend an. Worauf wollte sie hinaus? „Dann ist doch alles klar. Warum soll ich diese Frau noch treffen? Du bist meine Mutter. Mit Fern Kelly verbindet mich nichts."
„Da irrst du dich gewaltig. Die Tatsache, dass sie dich im Stich gelassen hat, belastet dich schon, seit du denken kannst. Jetzt ist die Gelegenheit, einen Schlussstrich zu ziehen. Triff dich mit ihr, und löse dich ein für alle Mal von ihr. Wenn du es nicht tust, wirst du immer darunter zu leiden haben. Du wirst den Leuten, die dich wirklich lieben, nie vertrauen können."
„Das ist doch Unsinn! Quint Damian hat euch um den Finger gewickelt. Ihr könnt euch auf den Kopf stellen, ich werde nicht nach Denver gehen. Habt ihr es denn nicht verstanden? Diesem Mann geht es nur ums Geld." Wütend stampfte Greeley mit dem Fuß auf. „Erst hat er es bei mir versucht, und zwar mit allen Mitteln ..." Worth blickte sie fragend an, und sie merkte, dass sie beinah zu viel verraten hätte. Schnell lenkte sie ab. „Ich hätte nicht gedacht, dass ihr euch von Mister Money so leicht beeinflussen lasst."
Mary Lassiter seufzte und stand auf. „Es ist deine Entscheidung, Greeley. Ich stehe hinter dir, egal, was geschieht." Sie ging hinaus und schloss die Tür.
Das Schweigen im Zimmer wurde immer unerträglicher, bis Greeley es nicht länger aushielt.
„Also gut, Worth. Ich höre."
Worth setzte sich aufs Bett und faltete die Hände. „Warum denken meine Schwestern eigentlich immer, ich will ihnen eine Strafpredigt halten?"
Sie ging auf seine Frage nicht ein, denn sie beschäftigte etwas ganz anderes. „Wieso bloß musste er herkommen und alles durcheinander bringen?"
„Wer? Mister Money? Mich würde ja brennend interessieren, mit welchen Mitteln er dich überzeugen wollte."
„Es hat sowieso nicht funktioniert. Ich werde diese Frau nicht treffen." Worth stand auf. „Du hast dreißig Minuten für deine Kriegsbemalung."
„Ich komme nicht mit."
„Deine Entscheidung. Allerdings dachte ich, du hättest mehr Rückgrat." Worth und Mary Lassiter warteten eine Dreiviertelstunde.
Greeley blickte ihnen vom Fenster aus hinterher, bis der Wagen verschwunden war. Sollten sie Sich doch mit Fern Kelly herumschlagen. Sie, Greeley, wollte diese Frau nicht sehen.
Nicht weil sie Angst hatte und auch nicht, weil sie kein Rückgrat hatte. Es war ihr egal, was Worth und die anderen Lassiters von ihr hielten. Ihr fiel nicht ein einziger Grund ein, warum sie Fern Kelly treffen sollte.
Doch, es gab einen. Und zwar einen ganz einfachen. Quint Damian. Er war der Meinung, dass man andere Menschen nach Strich und Faden ausnutzen konnte. In seiner Überheblichkeit hatte er geglaubt, sie würde jede Chance nutzen, um Fern Kelly eins auszuwischen. Nun, er hatte sich getäuscht. Sie würde genau das Gegenteil tun!
Sie könnte auf die Party gehen, sich Ferns Ausreden anhören, nicken, lächeln und so tun, als würde sie jedes Wort glauben. Vielleicht würden sie sogar Zukunftspläne schmieden Besuche, Telefonate, alles natürlich nur zum Schein, denn sie, Greeley, wusste genau, dass diese Frau genauso wenig Wert auf ihre Bekanntschaft legte wie sie. Damit wäre dann das Thema Fern Kelly ein für alle Mal erledigt.
Auch Quint Damian würde daraus hoffentlich etwas lernen. Nicht alle Menschen ließen sich für seine egoistischen Ziele einspannen. Das geschah ihm recht! Er glaubte doch nicht wirklich, dass ein einziger Kuss ihn dazu berechtigte, ihr Leben auf den Kopf zustellen!
Sie würde ihm zeigen, was es hieß, jemandes Leben so durcheinander zu bringen.
Und zwar noch heute Abend auf Cheyennes Party.
„Die müssen ja nur so im Geld schwimmen." Ehrfürchtig betrachtete Fern das dreistöckige weiße Gebäude. Quint wandte sich ab und gab dem
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