Kleines Herz in Not
Triviales sagte. Der Schock saß wohl tiefer, als sie sich eingestehen wollte.
„Das kann der Fahrer machen. Er soll sich sein Trinkgeld verdienen." Fern ging in den Flur, öffnete die Haustür und winkte. Gleich darauf kam sie zu ihr zurück und zeigte auf einen kleinen weißen Umschlag, der auf dem Tisch lag. „Für Edward. Gib ihm den Brief, wenn ich weg bin." Sie wartete, bis der Taxifahrer das Gepäck hinausgetragen hatte, und nahm dann ihre Handtasche. „Das war's wohl. Du wirst nichts mehr von mir hören, und ich glaube, damit tue ich uns beiden einen Gefallen." Fern zögerte und fügte schließlich hinzu: „Also dann ... alles Gute."
„Danke." Etwas Besseres fiel Greeley nicht ein, doch Fern hatte es sowieso nicht gehört. Sie war schon gegangen.
Wut stieg in Greeley hoch. Ihre Mutter hatte sich einfach davongestohlen. Es war ihr egal, wie viel Kummer sie anderen Menschen bereitete, ihr ging es nur um ihren Vorteil. Wie konnte man nur so kalt und berechnend sein! Quints Großvater würde es das Herz brechen!
Greeley sank in einen der eleganten Ledersessel. Es war vorbei. Sie würde ihre leibliche Mutter nie wieder sehen. Fern Kelly hatte sie zum zweiten Mal im Stich gelassen. Sie wollte mit ihrer unehelichen Tochter nichts zu tun haben.
Früher hätte sie, Greeley, die Schuld bei sich gesucht. Heute machte es ihr nichts mehr aus. Am liebsten hätte sie es hinausgeschrien: Ich habe es überstanden! Nichts kann mich mehr verletzen! Sie hatte endgültig mit der Vergangenheit abgeschlossen, und das Gefühl der Erleichterung war überwältigend.
„Ist sie weg?"
Erschrocken blickte Greeley auf. Edward Damian stand an der Tür. Er sah so traurig aus, dass sie ihn gern in den Arm genommen und getröstet hätte. „Sie wissen es also?"
„Ich bin vorhin ins Haus gegangen, um ein Glas Wasser zu trinken. Da habe ich gehört, wie sie ein Taxi gerufen hat. Hat sie etwas für mich hinterlassen?"
Greeley nickte und zeigte auf den Umschlag. Mitleidig beobachtete sie, wie Quints Großvater langsam zum Tisch ging. Er kam ihr vor wie ein hundertjähriger Greis, dem man alle Lebensfreude genommen hatte.
Lautes Lachen ertönte. Quint scheuchte Barney vor sich her ins Wohnzimmer. Als er das Gesicht seines Großvaters sah, blieb er wie erstarrt stehen. „Was ist los?"
Als Edward Damian nicht antwortete, ergriff Greeley die Initiative. „Fern ist weg. Sie hat einen Job in Kalifornien."
Quint betrachtete seinen Großvater mit zusammengekniffenen Augen. „Ist alles in Ordnung, Granddad?"
„Ja. Nein. Ich bin ein alter Dummkopf gewesen." Big Ed ließ den Kopf hängen. Mit zittrigen Fingern öffnete er den Umschlag, nahm den Brief heraus und las ihn. „Ich konnte sie nicht halten. Nicht einmal mit Geld. Sie war mehr als dreißig Jahre jünger als ich. Es konnte einfach nicht gut gehen. Ich bin dankbar für die Zeit, die wir zusammen hatten." Er sah Greeley an. „Ich möchte mich entschuldigen. Ich habe Ihre Mutter vor der Hochzeit entehrt."
Was meinte er damit? Es dauerte einen Moment, bis sie wusste, worauf er hinauswollte. Er hatte mit Fern geschlafen.
„Obwohl ich ihr mein Herz zu Füßen gelegt und ihr die Ehe versprochen habe, hätte ich warten müssen. Wahrscheinlich habe ich gehofft, sie würde mich nicht verlassen, wenn wir erst einmal das Bett geteilt haben." Big Ed schloss die Augen und seufzte. „Es war ein langer Tag. Ich glaube, ich lasse das Abendessen ausfallen und gehe gleich ins Bett. Im Ofen steht ein Auflauf. Esst ihr ihn." Niedergeschlagen verließ er das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
Quint hielt sich zurück, bis sie in der Küche waren. Dann aber belegte er Fern Kelly mit allen nur möglichen Schimpfwörtern. Er schäumte vor Wut. Greeley ging ihm aus dem Weg. Sie las die Anweisungen der Haushälterin und schaltete den Ofen an. Wenigstens konnte sie jetzt nach Hause. Sie würde gleich ihre Sachen packen und sich auf den Weg zurück nach Aspen machen.
Quint trat gegen einen Küchenstuhl und verfluchte den Kühlschrank.
„Du hast doch erreicht, was du wolltest", sagte Greeley, als er einmal Luft holte. „Warum freust du dich nicht?"
Quint warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Ich wusste, dass es so enden würde. Sie hat ihm seine Illusionen geraubt. Genau das wollte ich verhindern. Sie sollte aus Granddads Leben verschwinden, bevor sie ihm Leid zufügen konnte. Jetzt ist es zu spät. Auch deine Anwesenheit hat nichts genützt. Ich hatte gehofft, Big Ed würde ihr
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