Kleines Herz in Not
Dieses Monstrum besteht ja fast nur aus Spitze! Jetzt fehlen nur die weißen Strümpfe und schwarzen Lederschuhe, und ich sehe aus wie Hannah."
Quint bemühte sich, nicht mehr an die imaginäre Szene in seinem Schlafzimmer zu denken.
„Genau das will sie doch. Stell dir vor, sie heiratet und nicht sie, sondern ihre Tochter zieht alle Blicke auf sich! Du bist jünger, schöner ..."
Greeley ignorierte ihn. „Vielleicht kann ich Barney dazu bringen, es aufzufressen. Dein Granddad spricht die ganze Zeit nur davon, wie lange und mit welchem Aufwand Fern dieses Kleid ausgesucht hat. Ich möchte seine Gefühle nicht verletzen. Also habe ich mir eine gute Entschuldigung einfallen lassen, warum ich es nicht zur Hochzeit trage."
Sie hatte Recht. Big Ed hatte ein schlechtes Gewissen, weil er Greeley und Fern zu einem Treffen gezwungen hatte, und jetzt wollte er es wieder gutmachen.
Seiner Verlobten hatte er Ohrringe aus reinem Gold und ein Diamantarmband geschenkt.
Ausnahmsweise war Fern einmal zum Frühstück erschienen, und Quint wusste auch, warum. Jeder sollte ihren neuen Schmuck bewundern. Nur Big Ed hatte geglaubt, sie wollte ihrer Tochter einen Gefallen tun.
Greeley hatte starr auf ihren Teller geblickt. Quint hatte schnell ein Sandwich gegessen, sich dann entschuldigt und versucht, seinen Großvater vom Tisch wegzulocken, doch es war vergebliche Liebesmüh gewesen. Big Ed hatte es sich nicht nehmen lassen, Ferns Tochter näher kennen zu lernen, und sie mit einer Flut von Fragen überhäuft. Ihre Einsilbigkeit schien ihn nicht gestört zu haben.
„Ist wirklich alles in Ordnung?" fragte Quint besorgt. Greeley war so blass.
„Sicher. Glaub ja nicht, du hast mir eine schlaflose Nacht beschert." Sie blickte ihn kühl an. Da war es ihr besser ergangen als ihm. „Hast du wirklich gut geschlafen?"
„Tief und traumlos. Und du?"
Hatte sie gelogen? Er würde es wohl nie herausfinden. „Ich habe kein Auge zugetan", gab er schließlich - wenn auch widerwillig - zu.
Schweigend fuhren sie weiter, bis Greeley das Autoradio einschaltete. „Mir gefällt der Sender. Ich hoffe, du hast nichts dagegen."
Einen Augenblick lang hatte sie ihm geglaubt, aber dann siegte der gesunde Menschenverstand. Cheyenne und Allie sind diejenigen, die Männern schlaflose Nächte bereiten, dachte Greeley. Kein Mensch interessierte sich für sie. Sie durfte sich von seinen Worten nicht täuschen lassen. Quint wollte etwas von ihr, und ihm war jedes Mittel recht, um sein Ziel zu erreichen.
Müde nach dem langen Tag in der Spedition, betrat sie die Villa. Quint sprach draußen noch mit seinem Großvater und einem der Gärtner.
„Ist da jemand?" ließ Fern sich vernehmen. „Ach, du bist's nur", sagte sie, als sie ihre Tochter an der Tür zum Wohnzimmer stehen sah.
Greeley ignorierte die unfreundliche Begrüßung, denn ihre Aufmerksamkeit galt den unzähligen Koffern, die gepackt neben Fern standen. „Willst du verreisen?"
„Ich fliege nach Kalifornien. Ein bekannter Hollywoodregisseur hat mich gebeten, seine Assistentin zu werden. Da konnte ich einfach nicht Nein sagen."
„Du willst in zwei Wochen heiraten!"
„Vergiss es." Fern machte eine verächtliche Handbewegung. „Edward ist sechsundsiebzig.
Ich habe keine Lust, meine besten Jahre damit zu verschwenden; einen alten Mann zu pflegen." Sie spielte mit dem Diamantarmband. „Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen. Er wird es verstehen."
„Du lässt ihn einfach im Stich?" Ungläubig schüttelte Greeley den Kopf. „Genau wie mich damals."
Fern blickte sie wütend an. „Du hast kein Recht, mich zu verurteilen. Ich war das älteste von neun Kindern. Mein Dad ist einfach verschwunden, und meine Mom hat als Kellnerin gearbeitet. Ich durfte auf meine nervigen Geschwister aufpassen. Tagein, tagaus. Ich hatte überhaupt keine Zeit für mich. Mit achtzehn bin ich weg. Ich konnte das Elend nicht länger ertragen, und ich habe mir geschworen, nie so zu werden wie meine Mutter. Ein Kind nach dem anderen - nein, danke! Das mit dir ist mir eine Lehre gewesen, das kannst du mir glauben. So ein Fehler ist mir nie wieder unterlaufen."
„Wie schön, dass ich dein einziger Fehltritt gewesen bin", antwortete Greeley spöttisch.
„Versuch gar nicht erst, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Ich habe dir eine Familie und ein Zuhause verschafft. Du solltest mir dankbar sein."
Draußen hupte jemand.
„Brauchst du Hilfe mit dem Gepäck?" Greeley wusste selbst nicht, warum sie so etwas
Weitere Kostenlose Bücher