Kleines Herz in Not
„wenn du das nächste Mal deine Pläne änderst, sag mir bitte Bescheid. Wie sieht es denn aus, wenn ich allen erzähle, du seist in Aspen, und in Wirklichkeit läufst du in New York herum." Sie drehte sich um und rauschte aus dem Restaurant.
„Das war meine Mutter. Ich hätte dich gern vorgestellt, aber sie hatte es wohl eilig", sagte Thomas verlegen.
„Sie hat noch nicht einmal gefragt, wie es Davy geht."
Cheyenne konnte nur den Kopf schütteln. Sie hatte sofort erkannt, dass Thomas' Mutter die selbstsüchtigste Person war, die sie je in ihrem Leben getroffen hatte. Die Hotelangestellten, mit denen sie heute gesprochen hatte, hatten alle nicht viel von den großmütterlichen Qualitäten dieser Frau gehalten. Cheyenne hatte es zuerst nicht glauben wollen, es aber jetzt mit eigenen Augen gesehen. Diese Frau konnte nicht lieben.
Thomas wusste, es war richtig gewesen, Cheyenne nach New York einzuladen. Nicht weil sie nicht hierher passte. Cheyenne konnte sich überall anpassen. Sie hatte Edwards Vertrauen erworben, was wirklich nicht ganz einfach war. Thomas konnte sich gut vorstellen, wie begeistert das restliche Personal gewesen sein musste, als sie ihnen Davys Grüße ausgerichtet hatte.
Er würde Cheyenne einfach die Wahrheit sagen. Er war nicht zum Familienvater geschaffen. Sie hatte seine Mutter kennen gelernt. Sie wurde es verstehen.
Heute Abend würde er es ihr mitteilen. Bei ihm zu Hause. Deshalb hatte er Edward gebeten, ihm Johnny und das Auto zur Verfügung zu stellen. Er hatte vorgegeben, Cheyenne New York zeigen zu wollen. Und jetzt waren sie bereits am hell erleuchteten Empire State Building, am Chrysler Building, am Waldorf Astoria und am Gebäude der Vereinten Nationen vorbeigefahren. So langsam gingen ihm die Sehenswürdigkeiten aus. Er konnte die Stunde der Wahrheit nicht länger hinausschieben.
Er gab Johnny eine kurze Anweisung, und bald darauf hielten sie vor dem Gebäude, in dem Thomas wohnte. Cheyenne sah ihn überrascht an, folgte ihm dann aber doch, ohne zu protestieren, die Treppe hinauf am Türsteher vorbei, dem sie freundlich zulächelte.
Thomas schloss die Tür zu seiner Wohnung auf und ließ Cheyenne als Erste eintreten. Interessiert sah sie sich um. Der Raum war kahl, fast unpersönlich. Keine Bilder an den Wänden. Auf dem Glastisch lagen ordentlich gestapelt Geschäftsunterlagen und Wirtschaftszeitungen.
Es kommt mir fast so vor, als würde Thomas hier gar nicht leben, dachte Cheyenne. „Ich gehe davon aus, dass du mich nicht heraufgebeten hast, um mir deine Briefmarkensammlung zu zeigen", sagte sie schließlich.
„Ich wollte mit dir sprechen."
„Und zwar, ohne dass jemand aus dem Hotel zuhört", erwiderte sie und sah ihn spöttisch an.
„Mein Personal lauscht nicht."
„Das weiß ich. Aber sie interessieren sich trotzdem dafür, was du so tust. Du bist der große Boss."
Er überhörte die Ironie in ihrer Stimme. „Möchtest du etwas trinken? Cognac vielleicht oder Kaffee?"
„Nein danke. Ich bin wunschlos glücklich."
Thomas ging in die Küche und goss sich einen Cognac ein.
Reine Hinhaltetaktik. Er ärgerte sich über sich selbst. Er als gewiefter Geschäftsmann hatte schon mehr als einmal eine unangenehme Verhandlung, ohne mit der Wimper zu zucken, geführt und immer sein Ziel erreicht.
Aber seine Gegner hatten auch keine blauen, völlig arglos blickenden Augen gehabt. Sie erwartete etwas von ihm, aber das konnte er ihr nicht geben. Er würde sie gleich bitter enttäuschen.
Als Thomas ins Wohnzimmer zurückkam, stand Cheyenne am großen verglasten Balkonfenster und genoss den Blick auf den East River. Thomas setzte sich aufs Sofa und stellte den Cognacschwenker auf den Tisch. Er würde ihr noch einen Augenblick Zeit geben, bevor er ihr sagte, was zu sagen war. „Ich habe vorhin mit Davy gesprochen. Er hat darauf bestanden, dass ich dir heute Abend das ,große Autohaus' zeige, weil es dann so schön beleuchtet ist."
Cheyenne drehte sich um, ging zu dem Schaukelstuhl, der in der Ecke stand, und legte die Hände auf die Lehne. „Als ich heute Nachmittag angerufen habe, war er gerade in der Badewanne. Aber Mom hat mir erzählt, dass er sich prächtig amüsiert hat. Sie sagte, dass er dir schon alles berichtet hat."
Sie schien nicht überrascht zu sein, dass er Davy angerufen hatte. „Er ist mit Allie ausgeritten, mit Greeley Trecker gefahren, hat deiner Mutter beim Keksebacken geholfen und durfte Worth beim Scheunefegen helfen. Du hast wirklich Glück,
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