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Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer

Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer

Titel: Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele-Marie Bruedgam
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einen Sonntag fällt, gelten als heilige Jakobsjahre und sind bei Pilgern besonders begehrt. Solch ein Jahr war 2010. Der Prozentsatz der Deutschen fiel da schon wieder auf schlappe fünf Prozent, nachdem noch 2008 an die 13 Prozent aller Pilger aus Deutschland gekommen waren.
    Hape Kerkelings Einfluss liegt also nahe und ist doch nicht so stark wie angenommen. Was vor allem an der Beschwerlichkeit des Weges liegen dürfte. Wanderer, die wie der Entertainer in den Pyrenäen loslaufen und insgesamt 800 Kilometer zurücklegen, müssen heftige Steigungen überwinden und auf extremes Wetter eingestellt sein: Hitze und Trockenheit im Sommer, Schnee im Winter, Dauerregen im Frühling oder Herbst. Für eine Massenveranstaltung ist das alles zu viel verlangt.
    Mehrere Wege führen zu den drei wichtigsten Wallfahrtsorten der Christenheit: nach Rom und Jerusalem wie nach Santiago. Der bekannteste Jakobsweg ist die sogenannte Französische Route über Pamplona, León und Burgos. Weitere Jakobswege führen zum Beispiel an der nordwestspanischen Küste entlang, von Valencia in nordwestlicher Richtung oder durch Portugal. Auf so vielen Wegen und so langen Strecken verteilen sich die Pilger derart, dass es zu Staus nicht einmal in den Monaten kommt, in denen das Wallfahren Hochkonjunktur hat.
    Wenn es ausnahmsweise doch mal drängelig wird, dann auf den letzten hundert Kilometern. Nur die sind nämlich Pflicht, um als Pilger offiziell anerkannt zu werden und die Urkunde »Compostela« zu erhalten – als Wanderer, Reiter oder unmotorisierter Rollstuhlfahrer. Fahrradpilger müssen mindestens 200 Kilometer zurücklegen. Auch für Auto- und Busreisende gibt es einen Jakobsweg, eine Kultur- und Landschaftsroute (in Deutschland heißt so etwas »Ferienstraße«). Über weite Strecken verläuft sie parallel zum Wanderweg, und wie dieser ist sie weitaus weniger frequentiert, als man vermuten könnte. Auf dem Jakobsweg reisen, nur um Dörfer und Kirchen zu besichtigen und Hape Kerkelings Spuren zu folgen, dafür ist die Region vielen Urlaubern dann doch zu entlegen und das Klima zu unwirtlich.

KALKUTTA LIEGT AM GANGES
    Es war das Jahr 1960, die Zeit des sogenannten Wirtschaftswunders. Seit ein paar Jahren gab es italienische Gastarbeiter in Deutschland, und die Deutschen begannen, vermehrt Urlaub im Ausland zu machen. Auch jenseits Österreichs, besonders gern in Italien. So fügte sich der deutsche Film O sole mio hervorragend in den Zeitgeist, er erzählte eine Unterhaltungsgeschichte rund um die Schönheit Italiens, den Zauber der Liebe, das fröhliche Leben. Es wurde viel gesungen, Rex Gildo war mit von der Partie, Senta Berger spielte die schöne Madeleine und Vico Torriani himmelte sie an. Seine Gefühle brachte er zum Ausdruck in dem Lied Kalkutta liegt am Ganges:
    »Am schönen Rhein liegt Basel und Kairo liegt am Nil / Doch ich träum von Madeleine, an der liegt mir viel / Die großen Kulleraugen, das ganze drum und dran / Das schau ich an und sag mir dann /
    Kalkutta liegt am Ganges, Paris liegt an der Seine / Doch dass ich so verliebt bin, das liegt an Madeleine.«
    Ein wirklich netter Text, muss man sagen, nur das mit Kalkutta am Ganges, das stimmt nicht: In Wahrheit liegt die indische Stadt an einem anderen Fluss, dem Hugli. Der zweigt vom Ganges ab und schlängelt sich dann rund 200 Kilometer von Norden nach Süden durch West-Bengalen, bis er Kalkutta erreicht.
    Wenige Jahre nach dem Kalkutta- Hit sang Paul Kuhn: Es gibt kein Bier auf Hawaii – ein Song mit fast genauso gutem Text und ganz genauso falscher Titelzeile: Selbstverständlich gibt es Bier auf Hawaii, gab es schon damals, und seit langem umfasst das hawaiische Angebot auch deutsche Biere, darunter die herrlich skurrile Marke St. Pauli Girl aus Bremen. Die Etiketten ziert das Foto einer jährlich wechselnden, aber immer blonden Frau, immer mit großem Busen und immer bekleidet mit einem Minikleidchen, das entfernt an ein Dirndl erinnert.
    Die Beziehung zwischen der deutschen Schlager- und Popmusikgeschichte einerseits und der Entwicklung des Freizeit-Tourismus andererseits ist überhaupt ein enorm interessantes Thema. Schon in den 1930er-Jahren erklangen Anzeichen von Fernweh in Liedform, beispielsweise in dem beliebten Schlager Unter den Pinien von Argentinien (»… Habe ich mich so in dich verliebt / Und bei den Bananen begann ich schon zu ahnen / Dass es keine größ’re Liebe gibt …«). In den Fünfzigern kam die Welle weiter in Schwung, Ganz Paris träumt

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