Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer
klassischen Sightseeing-Rundfahrt mit schwimmendem Hotel.
Besonders verwirrend finde ich den Begriff Flusskreuzfahrt, da kaum ein Fluss auf der Welt so sehr in die Breite geht, dass ein Schiff darauf kreuzen könnte. Trotzdem hat die Bezeichnung sich durchgesetzt, sie steht für eine Art des Reisens, die den Hurtigruten-Fahrten ähnelt: eine Kombination aus Landschaftsgenuss vom fahrenden Schiff aus und Ortsbesichtigungen im Rahmen von Landgängen. Das Angebot, das sich früher vor allem auf Rhein-, Donau- und Nilkreuzfahrten konzentrierte, wurde in letzter Zeit stark erweitert, sodass auch Mekong-, Yangtze- und Amazonas-Fahrten mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr sind.
LAND UND LEUTE FINDEN ES GROßARTIG, DASS WIR SIE KENNENLERNEN WOLLEN
Eine schlichte kleine Bar in einem Dorf auf Mallorca, weit abseits der Touristenzentren. Es ist Samstag, später Vormittag, einige Dorfbewohner genießen das erste Bier des Tages oder einen Espresso mit Brandy. An der Theke sitzen drei Männer und unterhalten sich mit dem Barmann auf Spanisch.
Auftritt Nele aus Hamburg nebst Begleiter, die Touristen grüßen in die Runde, bestellen Wasser und Kaffee (ohne Brandy) und fragen, ob sie belegte Brötchen bekommen könnten. Sie tun dies alles auf Spanisch. Der Barmann bedient sie flink, nicht unfreundlich, aber distanziert, die Mallorquiner an der Theke beobachten schweigend die Szene. Dann wendet sich der Barmann wieder seinen Kumpels zu, die vier Männer führen ihr Gespräch fort, als sei nichts geschehen. Na ja, fast nichts. Denn die Sprache, die sie jetzt sprechen, ist plötzlich Mallorquinisch. Ihre Geheimsprache sozusagen, die die Touristen nicht verstehen.
Unhöflich? Vielleicht. Inakzeptabel? Nein, ich finde nicht. Beim ersten Mal habe ich mich über solch ein Verhalten erschrocken, mittlerweile kann ich es nachvollziehen. Natürlich fände ich es schöner, wenn man mir mit den (spanischen) Worten begegnen würde: »Oh, Sie sprechen Spanisch, sehr gut! Schön, dass Sie den Weg in unser Dorf gefunden haben! Setzen Sie sich doch zu uns, darf ich vorstellen: Das ist Joan, das ist Jordi, ich bin Miquel. Wie heißen Sie? Wo kommen Sie her? Erzählen Sie, bitte …« Aber es wäre albern, so etwas zu erwarten.
Rund eine Million Menschen leben auf den Balearen, etwa neun Millionen Besucher kommen jährlich – kein Wunder also, denke ich, dass die Einheimischen wenig Lust haben, sich auf Touristen persönlich einzulassen, sie näher kennenzulernen. Als Gast muss man sich über effektiven, freundlichen, aber persönlich völlig unverbindlichen Service seitens der Inselbewohner freuen. Mehr kann man einfach nicht erwarten. Tourismus ist für sie Business, nach Feierabend möchten sie bitte in Ruhe gelassen werden. Und sie mögen es nicht gern, wenn Touristen in ihre Freizeitrückzugsräume eindringen. Genau die gleiche Situation wird man in deutschen Ferienzentren sowie an allen Massentourismus-Orten dieser Welt vorfinden.
Sicher, es gibt Fälle, da entstehen auf Reisen an solchen Orten Freundschaften fürs Leben zwischen Einwohnern und Gästen. Das sind seltene Ausnahmen – Glückssache. Ansonsten gilt: Jeder, der sich wünscht, mit ungespielter Begeisterung empfangen zu werden, der auf neugierige, selbstlos gastfreundliche Einheimische hofft, muss an entlegene Orte mit wenig Tourismus reisen und möglichst die lokale Sprache beherrschen (siehe hierzu auch » TOTALITÄRE REGIMES sollte man touristisch boykottieren«).
Eine weitere erfolg versprechende Methode der Kontaktaufnahme ist der bezahlte Besuch bei Einwohnern. Einige Reiseveranstalter bieten Abendessenbesuche bei Familien zu Hause im Rahmen von Rundreisen an. Auch professionell geführte Besuche bei Hilfsprojekten (einschließlich großzügiger Spenden) oder bezahlte Volunteering-Engagements (siehe » VOLUNTEERING im Urlaub ist grundsätzlich eine gute Tat«) bieten Chancen, auf aufgeschlossene, kommunikationswillige Einheimische zu treffen. Kommunikation gegen Geld, das mag auf Touristen ein bisschen ernüchternd wirken, aber es ist wenigstens eine ehrliche Sache. Außerdem ist es ja durchaus denkbar, dass die Gastgeber ihren Job gern machen und zusätzlich zur finanziellen Motivation auch Freude an dem Austausch haben.
MAKARONESIEN GIBT ES NICHT
Der Name klingt nach einem Fantasieland aus einem Michael-Ende-Roman, ist aber eine offizielle, seriöse Bezeichnung und hat (bis auf die Buchstaben) nichts mit Makkaroni zu tun. Makaronesien ist eine atlantische
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