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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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eines Arbeitslagers im Gestein oder Steinbruch, an verschiedenen Stellen mächtige quadratische Höhlungen im Fels. Dort sollen irgendwelche geheimnisvollen Rüstungswerke in den Fels selber gebaut u. gebettet werden. Wir haben längst Phantastisches davon reden hören. (Saugmaschinen zum Herunterholen der Flieger, hieß es vor langer Zeit). * Dressel u. * Annemarie wußten nichts Genaues über den eigentlichen Zweck der Unternehmung. Jedenfalls würde sie nicht mehr fertig werden. In Bodenbach Ausweitung des engen Thals, die Sandsteinformationen hören auf, man sieht in Hügelreihen des Erzgebirges. In Aussig – das war neu für uns – allerlei größere Werksanlagen, ein größerer Ort am Fluß, wir dachten an * Steinitz u. * * * * * Eisenmanns. – Wir fuhren ohne sonderliche Fliegerangst, die Amerikaner hatten ihr Tagespensum erledigt, die Engländer kamen erst Nachts, u. ihr übliches Ziel Dux u. Brüx mußten wir vorher längst passiert haben. Aber der Zug fuhr immer langsamer, mit immer größeren Aufenthalten, u. als wir Dux erreichten, war es schon vollkomen finster. Zwischen Dux u. Brüx sollten die Hydrierwerke liegen, die ganze Gegend bis Komotau 1 sei Kohlenbezirk u. Angriffen ausgesetzt. Kaum über Brüx hinaus, bekamen wir Alarm. Der Zug hielt, fuhr ein Stückchen zurück – in einen Waldstreifen, sagte E. nachher – hielt wieder. Man hörte Fliegergeräusch, man hörte relativ nahe Detonationen, vielleicht Flak, vielleicht Bomben. Plötzlich ringsum starke Helligkeit – Leuchtkugelhelle, wie ich sie von Flandern her kenne. Verflucht, sagte * E, Leuchtkugeln über uns! Und duckte sich zwischen die Bänke, auch ich bückte mich u. machte den Mund auf. Das Herz klopfte stark, ich fühlte den Tod über uns. Zwei, drei nahe Einschläge. Jemand sagte: das sah aus wie drei Streifen brennendes Oel u. jetzt brennt etwas auf dem Boden, etwa 30 m. von uns entfernt. Die große Helle stand noch immer um uns. Aber das Brummen war fort, man hörte auch keinen Einschlag mehr. Dann wurde es wieder dunkel, u. eine Weile später schlich der Zug weiter. Hatte der Flieger uns treffen wollen u. verfehlt, hatte er ein anderes Ziel gesucht? Jedenfalls war uns die Vernichtung wieder nahe gewesen. (Zumal eine Reihe von Leuten den Zug verlassen u. sich draußen bewegt hatte.) Die weitere Fahrt wartete ich immer auf neuen Angriff, mitten in der Gespanntheit schlief ich ein, wachte zerschlagen auf, wartete wieder. Die Aufenthalte wurden immer größer – das sollte nach Fliegeralarmen stets der Fall sein. Der Zug hätte fahrplanmäßig am Sonntag Montag Abend ¼ 10 in Karlsbad sein müssen; er war am Dienstag früh 4 h dort u. fuhr von da um 5 h. weiter. Mir fiel die große Ruppigkeit des Bhfs auf: ein so elegantes Weltbad u. ein so primitiver Bahnhof. Wir gerieten dann, da wir irrtümlich ausgestiegen waren, in ein großes Abteil für Leute mit Traglasten. Dort ging es eng u aufgeregt u. rüde zu. Es schneite stark, u. der Zug stieg langsam in weite u. ziemlich rauhe winterliche Erzgebirgslandschaft, wie ich sie ganz ähnlich überaus oft bei Schellerhau u. Altenberg gesehen. Um 8 Uhr morgens waren wir dann in Zwotental, einem kleinen Nest in tief verschneitem Waldgebirge. Wir hatten dünne Schuhe u. froren u. hungerten. (Das tun wir seitdem andauernd). Ein mürrischer Capo sagte: um 7 h. Abends gehe ein Zug nach Falkenstein. Ein Wirtshaus im Ort gab es nicht. Die Wirtin im Wartesaal erklärte sofort, sie könne den Raum nicht heizen u. kochen könne sie für uns auch nicht. Aber dann brachte sie doch heißen Kaffee u. warmen Kartoffelsalat u. ein bißchen Blutwurst. Und Brod hatten wir ja. Trotz alledem war die Situation sehr unerfreulich. Gleich beim Aussteigen hatten wir gehört, daß um ½ 11 ein Güterzug durchkome; aber sofort hatte uns auch der befragte Capo kategorisch mitgeteilt, daß er uns auf keinen Fall mit diesem Zug fahren lasse. Nun waren aber auch ein paar Soldaten ausgestiegen, die ihre Abteilung suchten. Sie sagten, sie würden unter allen Umständen den Güterzug benutzen; sie berichteten dann, ihnen habe der Capo gesagt, wenn es der Lokführer erlaube, wollte er nichts dagegen unternehmen. Aber dies alles galt für die Soldaten. (Ich gedachte meines gewaltsamen Eindringens in den Schlafwagenzug nach Berlin, in Leipzig 1917. Aber damals war ich Soldat u. diesmal ...) Als der Zug einfuhr, liefen wir ihnen durch den tiefen Schnee nach zum Gepäckwagen. Der Capo rief immer wieder, er lasse uns nicht

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