Klemperer, Viktor
Abschied sogar, ein bißchen in extremis, 1 von beiden * * Scherners. Neues kam nicht mehr zutage. Eine Weile beim Tee (echtem Tee mit Zucker u. Cakes!) mit * Norma D. zusamen. Heeresbericht gehört. 3
tb
Brodmarken als Abschiedsgeschenk. – Wir wollen jetzt jetzt, nach 8 h, zuhause essen; ich lese dann nur noch so lange aus dem * Bergengruen vor, bis die Stunde der Engländer erfahrungsgemäß vorüber ist. Also bis ½ 10 etwa. Hoffentlich komen sie nicht in der Nacht, u. hoffentlich wachen wir von selber beizeiten, d.h. um 3 h, auf. Wir sind beide sehr, sehr abgespannt u. müde (in jeder Beziehung). Sch. trug sein Parteiabzeichen u. übte noch einmal das Sfogarsi, 2 leidenschaftlicher als je – nachdem Norma D. mit ihren hübschen Kindern sich zurückgezogen.
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Freitag Vorm. 13. April. Unterbernbach bei Aichach. Haus des * Ortsbauernführers.
Es scheint, als sollten wir hier nach zehn überschweren Fluchttagen zu provisorischer Ruhe komen. Es scheint auch, als ginge der Krieg nun wirklich dem endgiltigen Ende zu. Ich bleibe vorderhand beim (meist unleserlichen) Stichwortzettel, bis ich die verflossenen Fluchttage (eben aus den verlöschenden Zetteln) nachgetragen habe.
Stationen 2–12. IV :
Di. 3/IV. ab Falkenstein 4 52 . Muldenberg, Zwotenthal, Graslitz, Falkenau 8 30 –ca 15 30 Graslitz , Eger , Marktredwitz . 1. Nacht im Wartesaal.
Mi 4/IV. Marktredwitz ab 7 30 Regensburg 13 30 –17 45 . Zug bis Landshut. – 4 km. Abendfußwanderung nach Altdf. Altdorf . Hier etwa ½ 11 Zug nach München ; gegen Morgen dort.
Do 5/IV München . Dachau 16 h , 17 h: Pfefferling Pfaffenhofen . Nacht im Wartesaal Bunker
Fr. 6. IV. Pfaffenhofen. Milchauto Mittags nach Schwaitenkirchen . Nacht in Schwaitenkirchen
Sams. 7/IV Wanderung Schwaitenkirchen – Pfaffenhofen . Weiter nach München ; Nacht im Wartesaal Bunker
So. 8/IV. München ( * Voßler) Nacht im Bunker.
Mo 9/IV München . Dachau . Nachts: Bahnhof Dachau
Di 10/IV 10/IV Dachau –Ingolstadt. 11 30 . Angriff auf Ingolst. Wanderung nach Zuchering . Fahrt nach Aichach . Ankunft ½ 2. Nacht Nacht im Wartesaal.
Mi 11/IV Mi 11/IV Aichach. Mittagessen Wanderung nach Inchenhofen. Inchenhofen . Nacht u.
Do 12/IV. Inchenhofen . 14 15 Militärauto nach Aichach . Abends Unterbernbach . Nacht beim * Ortsbauernführer.
Also sieben von 10 Nächten in Wartesälen, Bunkern, Zügen, ohne aus den Kleidern zu komen, ungewaschen, bei unzulänglichster Beköstigung.
Heute, Freitag, der erste ruhigere Tag, u. auch zu morgen hin ist uns das Nachtlager gesichert. Aber ob wir dauernd, in eigenem Zimmer, unterkomen, ist noch immer nicht entschieden.
Sonntag 13 h. bei * Gruber, Unterbernbach 15. April 45
Nachträge .
Wir waren in der Nacht vom 2. zum 3. April ohne Wecker. Wir wachten um 1 Uhr auf, um 2, um 3. Da standen wir auf, tranken noch Kaffee, trabten zum Bahnhof. Tiefe Nacht, auch noch bei der Abfahrt dunkel. Muldenberg, Zwotental, Falkenau – die gleiche Strecke, die wir gekomen. Um ½ 9 in Falkenau . Der Wartesaal kahl u. voll, zwei winzigste Piccoli servierten nur Heißgetränk, irgendwelchen Tee, das Radio verkündete, die Japaner hätten wiedermal eine ungeheure amerikan. Flotte versenkt, u. die Deutschen in Ostpreußen hätten in letzter Zeit über eine Million Sowjets abgeschossen. (LTI: asiatische u. deutsche Heeresberichte). Dann bewährte sich * E. als Reisemarschall: sie bekam ohne Schwierigkeit u. Behördenanruf Fahrkarten nach München , sie fand in der Stadt ein hübsches großes Hôtel (Hahm), in dem wir frühstücken konnten. Böhmen! Die alte Kaffeekultur. Man hatte dort früher in zwei Kännchen serviert, in der einen Kaffee, in der andern Sahne. Man hielt an der alten Form fest u. servierte den Kaffeeersatz auf die 2 Kännchen verteilt, gab auch ein Restchen Zucker auf besonderem Schüsselchen dazu. (Das liegt nun auch schon im Weiten, Zucker-[,] Marmeladen-[,] Honigmarken, u. nun gar Rauchermarken, verfallen aller Welt ungenutzt: das ist nicht mehr da.) Das Hotel lag unmittelbar an dem stark strömenden mit Schleusenwerk u. Ableitung ausgestatteten Fluß. Von der Brücke aus sah man stromaufwärts in Waldung u. Gehügel, stromabwärts auf Hochebene u. die Holzturmbauten eines Kohlenwerks. Auf unserm Rundgang begegneten wir nachher noch einem andern Kohlenwerk. Die Stadt selber ist winzig, hat aber eine erstaunliche Anzahl von Hôtels. Offenbar im Frieden großer Verkehr der Geschäftsreisenden eben der modernen Kohlenindustrie. Die Stadt
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