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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Dunkeln einen Zug vor uns liegen. Wir kletterten hinein. Irgendwo leuchtete eine Taschenlampe, ein Streichholz, eine Cigarette, alles immer nur auf Augenblicke. Wir waren in einem sehr großen Abteil zweiter Klasse mit vielem Raum zwischen den Bänken. Alles nur undeutlich erkennbar. Wir fanden auf den Polstersitzen Platz, konnten das Gepäck vor uns abstellen. Gespräche gingen im Dunkeln hinüber, herüber. Ein junger Mann neben mir: Mein Vater hat immer noch an Sieg geglaubt, hat mir nie Recht gegeben. Aber jetzt jetzt glaubt auch er nicht mehr .. Der Bolschewismus u. das internationale Judentum siegen .. Eine junge Frau auf den Polstern weit drüben: sie glaube immer noch an Sieg, sie vertraue auf den * Führer, ihr Mann kämpfe in Breslau, u. sie glaube ... Etwa gegen elf Uhr setzte sich der Zug in Bewegung; ich dämerte ein bisschen ein, die nassen Schuhe blieben an den Füßen, ein schwerer Schnupfen, an dem ich noch heute laboriere, war die Folge. * E. vertrug die nassen Füße, steckte sich später aber an meinem Schnupfen an u. transformierte ihn in Husten ... Gegen 4 h früh hieß es wieder umsteigen, im Dunkeln, zwischen Gleisen, ohne Bahnsteig – irgendwo blendete, mehr verwirrend als beleuchtend, eine elektrische Stationslampe. Das war Moosach . Auf dem überfüllten Perron eines Wagens stehend stehend fuhren wir endlich nach München herein. Wir kamen früh 4 45 an.
     

 
    Do 5. April waren wir also das erstemal in München . Das Bahnhofsgebäude, die großen Hallendächer phantastisch-schauerlich zerstört. Darunter in großer Tiefe, die das Gefühl der Sicherheit gibt, ein ungeheurer Bunker, ganze Katakomben in einen mächtigen Längsgang u. große Seitenräume geteilt, unterirdische Wartesäle, NSV-Stelle, Sanitätsstelle, Toiletten, Waschräume. Alles überfüllt von Liegenden, Sitzenden; Personal, Bahnpolizei oft sehr grob: Aufwachen! Beine herunter! Die Andern wollen auch sitzen .. Tragen s die Bahre weg, an ihren Platz zurück! .. Sie san den vierten Tag hier; wenn ich Sie noch amal antreffe, kommen s mit zur Wache! ... Das Bild von Marktredwitz 50fach vergrößert u. variiert. Wir haben das 3 x mitangesehen u. mitgemacht, * E. lag auf dem blosen Steinboden des kühleren Aussengangs auf ihrem räudigen Pelz zwischen Italienern u. Slaven (denen die Außenräume vorbehalten waren), ich saß eingeengt in den Sälen, wo es stickig, stinkig aber warm war en . Der Schlaf beschränkte sich für mich natürlich auf ganz wenige Stunden. In einem hintersten Raum bekam man von der NSV morgens Kaffee u. Brod, Mittags u. Abends Suppe, sehr dünne Suppe, u. Brod. Es wurde alles ganz freundlich gebeben, aber man führte doch über jede Ration Buch, u. bei unserm dritten Erscheinen hieß es auch peinlich überrascht: Ja, seid s denn noch immer da?! Eine ziemlich bedrückliche Angelegenheit u. doch auch wieder nur ein Vorspiel zu den Erlebnissen in Aichach u. Inchenhofen. Ich habe damit aber vorgegriffen u. zusamengefaßt. – Am Do. dem 5. April also warteten wir im Bunker, bis es Morgen wurde. Wir erfuhren, daß wir am Nachm. (16 h.) über Dachau nach Pfaffenhofen (Ilm) weiter konnten. Vor dort aus – Autobusverkehr war eingestellt – würde uns dann der Millimann nach Schwaitenkirchen bringen. – Der Platz am Bahnhof war grausig zerstört. Messina. 1 Je näher wir dann jetzt u. das nächstemal München zu sehen bekamen, um so stärker traten die furchtbaren Zerstörungen hervor. Gänzliche Trümmerfelder, halbe u. ganze Ruinen mächtiger Gebäude u. Palazzi, baufällige, irgendwo eingestürzte, angeschlagene, bretter- brettervernagelte Häuserreihen; Häuser, die man betreten kann, aber innen ist Stock für Stock beschädigt u. unbewohnbar. Die Wahrzeichenkirche steht, aber der eine Turm ist abgedeckt u. der Dom selber 2 zerschlagen, die Universität ist z. T. eingeschlagen, die Thore sind teilweise beschädigt. Gerade durch die Beschädigungen u. Zerstörungen aber fiel mir auf (insbesondere an der zum Maximilianeum führenden Straße), welch einen Reichtum München an massigen italianisierenden, antikisierenden Bauten hat. Ich kann nun nicht mehr von der künstlich angehängten Ludwigstr. reden: die ganze Stadt ist durchsetzt mit Antike u. Renaissance, die ganze Stadt hat etwas Großartiges u. römisch Machtvolles an sich – dagegen ist Dresden doch nur ein Rokoko-Schmuck kästchen , wobei es sich um eine allerkostbarste aber doch eben um eine Spielzeug schachtel schachtel handelt, genauer handelt e

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