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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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gären, die Arbeiter sollen mit der Sprache schon sehr offen herauskommen. [(]Als ich am Freitag dem * Kaufmann Vogel hier erzählte, die Stimmung in Berlin sei schlecht, war ihm das längst bekannt, und er fügte hinzu, in München koche es noch ungleich mehr.) Das hat mich ungemein erhoben und ermutigt ... * Machol prüfte mein kreischendes Auto und sagte, es könne nur der Schleifring der Kuppelung sein. Er kanzelte mich ziemlich hochmütig ab, vom Fahren verstünde ich noch gar nichts, ich sei viel zu nervös und gäbe beim Anfahren viel zu viel Gas. Immerhin habe ich mir doch mit dieser Reise das Patent für grosse Fahrt erworben ... Der Bock übernachtete wieder gut auf offener Strasse, und wir in * Martas Wohnzimmer. Am Morgen hörte ich eine Kuckucksuhr, sie schlug aber immer weiter, es war ein richtiger Kuckuck. Als wir beim Frühstück sassen gab es draussen eine[n] mächtigen Krach (nein das war am Mittwoch Abend während des Essens): ein Herr aus dem Nebenhaus hatte mit seinem Auto das meinige gestreift, aber nur sich einen Kotflügel verbogen, mich unbeschädigt gelassen ... Donnerstag Vorm. fuhren wir * * Jelskis spazieren. Es war sehr anstrengend, denn immer wenn Marta links sagte, sagte Jelski rechts. Die Strasse nach Potsdam bis Wannsee. Ungemein imposant: breite gerade Fahrbahn zwischen herrlichen Baumreihen, zu Seiten Villen oder grosse gleichartige Mietshäuser, dahinter der Wald, Kiefern und Eiche[n], alles das zugleich Natur und symmetrische Ordnung, alles das elegant und reich und in endloser Aufeinanderfolge. Von der Kudowastr aus, die doch selbst schon in Grunewald liegt, waren wir 15 km. gefahren, ohne dass die Bebauung bald Kolonie von Villen bald Siedlungsstadt, ein bisschen Mainstreet, aber mit Grün, einen Meter lang aussetzte. Wieder der Eindruck der unendlichen und unendlich gepflegten Stadt. Wir wendeten langsam am Bahnhof Wannsee, hatten einen Blick auf einen Zipfel des Sees (Segelhafen) und fuhren den gleichen Weg zurück. Einmal bei einer Verknäuelung sah ich ängstlich auf den neben mir haltenden Taxichauffeur, wie der es wohl machen würde. Als uns der Schupo dann das Zeichen gab, feixte er mich freundlich an: Furchtbar schwer, was? Um 12 wieder bei * * Jelskis, rascher Abschied und nun zum Déjeuner 1 zu * Sussmann, d.h. über Kurfürstendamm und Wittenbergplatz in die Bayreutherstr. Gleiches Geschiebe wie am Mittwoch unter den Lindchen, aber ich war schon eingespielter. Als wir bei Sussmann hielten, sahen wir hinter unserm Wagen eine zerbrochene Flasche und hatten gleich düstere Ahnungen. S. nahm uns sehr freundlich auf, bewirtete uns, untersuchte meinen seit vielen Wochen, voire Monaten gezerrten rechten Arm (ohne helfen zu können), zeigte seine Markenalben, schenkte mir viele Stücke und eine Pincette. Er glaubt durch seine Sammlung einen Vermögenswert zu schaffen, kauft und ordnet systematisch, hilft sich wahrscheinlich damit über leere Abende. Ich sagte nachher herzensroh zu * Eva zum wirklichen Markensammeln müsse man verwitwet sein. Um ½ 2 Abfahrt. Gleich an der Ecke Kurfürstenstr. rief ein Schupo: Ihr Rad ist ohne Luft! (Es hat sich dann hier herausgestellt, dass der Reifen gar keinen Schnitt abbekommen hat, so dass vielmehr der Schlauch von einer inneren Manchette durchgerieben war. Mein Heber war für den Wagenstand zu hoch, der Schutzmann zeigte mir einen Reparateur in der nächsten Straße. Es war ein jüngerer Mann, der irgendwie beschädigt schien, denn seine Frau schloss sich ihm an, und nahm ihn beim Übergang sorglich am Arm. In einer Viertelstunde sass das Reserverad, ich fragte nach den Kosten, er sah seine Frau an, sie sagte 50 Pfennige, er bekam noch eine Cigarre, und beide zogen mit Dank ab. Ich fuhr langsam an, ein wartender Fahrer machte mir mit beiden Armen aufmunternd spöttische Schwimmbewegungen. Nun Bülowstr., Yorckstr (mein Weg zu Löwenstein u. Hecht, 2 der Weg der ersten Berl[i]ner Elektrischen 1897!), dann in die Belle Alliancestr. am Flughafen vorbei (eine gewaltige Maschine lag auf dem Rasen) an einem Complex von halbfertigen Neubauten vorüber und auf glatter Strasse aus Berlin heraus. Problem: ist das alles Blüte oder Scheinblüte? ... In Wusterhausen ein Wald von Funktürmen. Eva zählte auf einem Platz 15, gleich darauf ein ähnliches Rund wahrscheinlich mit der gleichen Türmezahl. Es sah ganz merkwürdig aus, wie die durchbrochenen Stahlconstructionen in den Dunst aufstiegen und darin zu verschwinden schienen. Dann in einem

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