Klemperer, Viktor
Seßhaftigkeit u. Reibung; man will Rettung in Freiheit finden, u. die Freiheit soll darin bestehen, daß er einen Reiseposten in Argentinien annimt u. daß sie ihn begleitet. – Wenn die Amerikaner in Philosophie u. sozialer Frage machen, habe ich immer den deutlichen Eindruck, daß sie um reichliche 50 Jahre hinter uns zurück sind. b) * Possendorf: Die Yacht Kaikai . Mit solchen wilden Unterhaltungsromanen ist es wie mit schlechtem Alkohol. Man komt nicht los u. liest bis 3 Uhr Nachts. Tags darauf ist man verkatert u. empfindet Leere. Der Anfang, das Thema ist immer spanend. Aber die Innerlichkeit fehlt, u. nachher wickelt sich eine Maschinerie ab. Diesmal hat der Klettermaxen-Mann sogar ein sehr sittliches Thema. Zwillingsbrüder. Der eine tritt für die Schuld des andern ein u. läßt sich deportieren. Der Schuldige läßt den Bruder im Stich. Die Tochter des Deportierten wird seine Rächerin u. Befreierin. Sie wächst als Naturkind unter Südseekannibalen auf, ist aber doch das moderne Girl, dazu geschäftstüchtig, seemännisch, seeräuberisch. Wiegesagt: die ersten 100 Seiten sind voller Filmspannung u. beinahe ernsthaft erzählt, aber dann geht alles in äußerlichster Räuberromantik unter. Es ist charakteristisch für diese Art Autoren, daß ihnen bei gutem Einfall nach gutem Anfang der Athem ausgeht. c) * Richard Katz: Funkelnder ferner Osten 2 Der Weltenbummel von K. ist ein hübsches Plauderbuch, kaum mehr. Diese China–Japan–Korea = Berichte vom Jahre 1929/30 haben wirkliche Bedeutung, sie belehren ernsthaft. Man behält aber, soll es nach dem Willen des Autors behalten das Gefühl völliger Fremdheit. – –
Es ist jetzt so, daß Tag für Tag ein paar Stunden * Eva völlig deprimiert ist, ein paar Stunden bin ich es u. ein paar Stunden sind wir es beide. E. ist seit Wochen – Glatteis – nicht mehr aus der Wohnung gekomen. Nur Dölzschen könnte ihr helfen, u. immerfort fehlt jede Baumöglichkeit. Ich selber wache jeden Tag mit Arbeitsabsichten u. normal passabler Frische auf. Dann komt der Kampf mit den Öfen, die Mühe der Wirtschaftsbesorgung, es wird ½ 12, ehe ich mich an den Schreibtisch setzen – könnte; aber um diese Zeit bin ich schon abgekämpft. Nachmittags ähnliche Lage
Mein Aus dem Hausekomen führt bis zum Reka; in der letzten Zeit führte es allzu häufig in die Neustadt zum * Zahnarzt. Das nahm heute G. s. D. ein Ende.
Seit dem Zwist mit * G.W. sind wir ganz einsam. Nur war am Sonntag Nachm. nach zweimonatiger Pause * Annemarie bei uns. Sie brachte als nachträgliches Weihnachtsgeschenk: Jaakob[] von * Thomas Mann. 1 Ein neues Buch von Th. Mann – u. nirgends habe ich es angezeigt gesehen. Die Presse darf über diesen anrüchigen liberalistischen Autor nichts mehr bringen. (Liberalistisch ist jetzt ein fast beliebteres Schlagwort als das schon abgelaatschte marxistisch)
Nach jedem Kolleg, jeder Seminarübung habe ich Furcht. Wenn doch ein Verräter unter meinem halben Dutzend wäre. Ich hebe nie den Arm beim Hereinkomen; ich lasse mir im Seminar u. in ein paar Plauderminuten hinterher leicht ein gefährliches Wort entrutschen. Gestern verstand ein Student durchaus nicht den * Marot schen Psalmvers 2 : C est celui qui sans doute / Israel jetera / Hors d iniquité toute, / Et le rachètera 3 und probierte: Er wird Israel in alles Unheil stürzen. Darauf fuhr mir heraus: Na aber – der Psalm ist doch nicht gleichgeschaltet!
27 Januar .
Unveränderte Lage. Unmöglichkeit für mich zu arbeiten. * E s Befinden u. die Wirtschaft im Hause verhindern alles. Höchstens einmal eine Stunde Lektüre oder Notizen. Um 12 Mittags bin ich mit der Morgenarbeit fertig u. mit meinen Kräften. (Die Öfen, die Kästchen, das Frühstück) Nachm. Abwaschen u. Vorlsen Vorlesen, Abends wieder Vorlesen, um 1 ins Bett, glücklich, wenn E. nicht durch neuralgische Schmerzen am Schlafen gehindert ist.
Aus Konstantinopel nichts. Unsere letzte Hoffnung, * Dembers Sperrconto!
Der Glaube an eine Änderung der politischen Lage geht immer mehr verloren. Heute das Friedensabkomen mit Polen. 4 Wenn das eine sozialistische oder liberalistische Regierung geschlossen hätte! Hochverrat, jüdischer Defaitismus u. Händlersinn! Jetzt: Neue Großtat * Adolf Hitlers. Vor einem Jahre hieß es: []Im Sommer ist die Corridorschmach beseitigt. Dafür ist aber heute auch der Stahlhelm endgiltig beseitigt worden. Erlaß, die feldgraue Uniform ab = u. das braune Ehrenkleid anzulegen.
In der Hochschule
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