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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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einen Versicherungsposten erhalten. Aber nur provisorisch, da der nicht bäuerische oder = handwerkernde Immigrant ein Vermögen (ca 10 000 M.) nachweisen muß. Er ist seit langem in Liebesbündnis mit einer sehr arischen jungen * Dame, 2 Baltin, von der Mutter her dem Grafen Zeppelin 3 verwandt, Sekretärin in der Schweiz. (Wir hatten schon vor sehr langer Zeit von den beiden eine gemeinsame Postkarte von einer Südfrankreichfahrt.) Jetzt hat * sie eine Erbschaft gemacht u. sich eine hebräische Gramatik gekauft. Man will sich heiraten u. in Gütergemeinschaft in Jerusalem leben. Aber wo sich heiraten? Er muß ihr irgendwohin entgegenfahren, wo das möglich ist. Denn in Zion ist nun der Arier gerade das, was hier der Jude. Par nobile fratrum! 4 Mir sind die Zionisten, die an den jüdischen Staat von anno 70 p. C. (Zerstörung Jerusalems durch Titus) anknüpfen genau so ekelhaft wie die Nazis. In ihrer Blutschnüffelei, ihrem alten Kulturkreis, ihrem teils geheuchelten, teils bornierten Zurückschrauben der Welt gleichen sie durchaus den N.S. Der Witz, man habe * Hitler in Haifa ein Denkmal errichtet mit der Inschrift Unserm Herführer hat eigentlich eine tiefe u. unwitzige Berechtigung. Gedanklich ist er auch ihr H ee rführer. Das ist das Phantastische an den N.S., daß sie gleichzeitig mit Sowjetrußland u. mit Zion in Ideengemeinschaft leben. – * Frau Schaps , die vom Besuch ihrer * * * Sebba-Kinder aus Haifa zurückgekehrt ist, bestärkt mich durch ihre naiven Erzählungen in meinem Haß gegen dieses zionistische Treiben. (Während * Blumenfeld damit sympathisiert).
    Noch eine romantische Geschichte (romantisch auf unromantischstem Boden) erzählte * Marta. Ich hatte in Bromberg einen Kindheitsfreund: Arthur (Atchen) * Fink, 1 sah ihn einmal um 1902 o. 3 als Studenten in Berlin, hörte in den letzten Jahren durch * Grete von ihm, die mit seiner inzwischen verstorbenen * Schwester, dann mit deren hier ansässigen verheirateten Tochter verkehrte, wechselte Grüße mit ihm. Er lebte als Anwalt erst in Posen, dann in Berlin, ganz biederer glücklicher Familienvater. * Sein Sohn, 19jähriger Student, ist nach Palaestina gegangen u. hat sich mit einer gleichaltrigen * Studentin verheiratet. Nun ergibt sich: * Arthur F s Frau hatte eine * Schwester, Rechtsanwältin, die mit ihm zusamen arbeitete. Mit ihr soll er ein langjähriges Liebesverhältnis[,] von ihr eine Tochter gehabt haben. In den letzten Monaten erfuhr das die Frau, die ganz in ihrer Ehe u. ehelichen Liebe aufging. Und nun die psychologische Rätselwendung. Das Ehepaar Fink reist plötzlich ab, zu irgend welchen Verwandten in Darmstadt, plötzlich – zu Haus findet man unabgedeckten Frühstückstisch, halbausgelöffeltes Ei – u. in einem Darmstädter Hôtel erschiessen sich beide . Was ist vorgegangen? Wieso, wenn er in Reue mit seiner Frau zusa sterben will, geschieht der Selbstmord nicht im ersten Affekt? Und die zurückbleibende Schwester, zusamenbrechend im Zimmer der Toten, soll gejamert haben: Wieso haben si[e] mich nicht mitgenommen? Welch ein Dichtungsstoff, wenn ich Dichter wäre! – * Martas Tochter * Lilly endlich nach Uruguay verheiratet. * Der Mann, 2 Musiker, Sekretär bei der Berliner Gesandtschaft u. Musikstudierender in Berlin. Jetzt in seiner Heimat in Fabrikstellung. Sollte Lehrer am staatlichen Conservatorium werden, u. das staatl. Conservatorium kam aus Geldmangel nicht zustande. – * Jelskis waren am 1. Juni hier. Mit der * Bloch, zu der Marta jetzt freundschaftlich fuhr, hatte sie kurz vorher wildesten Zwist gehabt, weil sie (die Bloch) ihrem * Schwiegersohn nach Uruguay eine allzu hohe Zahnarztrechnung sandte, die nicht bezahlt wurde. – Vielleicht nehmen * Eva u. ich die Welt zu tragisch. Man müßte sie von der komischen Seite nehmen. Denn die Mehrzahl der Menschen ist so dick beledert, daß sie seelische Schmach nicht recht berührt. –
    Am 7/6 war nach langer Pause ( ein Jahr) * Frl. v. Rüdiger bei uns. Schon damals waren wir ein wenig aneinander gekomen, denn sie hatte auf meine Erbitterung nur geantwortet, ich sei überreizt u. sollte ausspannen. Diesmal legte sie ein hysterisch- schwärmerisches Bekenntnis zum * Führer ab, auf das ich die notwendige Antwort gab. (In Gegenwart * Karl Wieghardts). Sie darauf: Discutieren kann ich nicht. Ich habe den Glauben. Wir sind nach Hause gekommen – wir waren seit 1918 nicht zu Hause. Ich fragte sie, die Assistentin am germanischen Seminar, die schwärmerische Schülerin u.

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