Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
Vom Netzwerk:
Sprengverbot herrscht.)
    Vorgelesen in all diesen Wochen Sudermann. Ich habe das Gefühl, daß sich hier eine künftige Studie in mir vorbereitet, wenn ich auch zur Zeit nichts notiere. Etwa das französ. Element in * Sudermann. Ich las: Tromholt , Purzelchen , Litauische Geschichten 1 (sein Bestes!), das Hohe Lied 2 (eben noch dabei), die Jugenderinnerungen , für mich: die Briefe an seine * Frau. 3
    Im Kolleg: * Art poétique 4 : * Frl Heyn u. (manchmal) * Frl Kaltofen, Metrik : beide Mädel, Hauptvorlesung, Klassik: die beiden u. * Herr Heintzsch. Der ist SA = Mann u. sagt klagend: Ich bin kein Soldat. Mit den Mädchen politisiere ich vorsichtig-unvorsichtig am Rande der Stunden. Beide stark antin., beide vom Gefühl der Tyrannis bedrückt. Besonders die Heyn, Katholikin, die mir im Frühjahr einen hübschen Brief aus dem Arbeitslager schrieb. Sie sagte mir neulich. Die Führerin las uns eine Art Katechismus vor. ‹Ich glaube an den Führer * A. H. Ich glaube an Deutschlands Sendung ...› Das kann doch kein Katholik sagen. –
    Ich habe vielerlei nachzuholen; alles Wesentliche dreht sich um dies eine, an dem man erstickt. Aber überall, oder fast überall, ist jetzt doch Hoffnungsschimmer. Es kann nicht mehr lange dauern.
    * * Scherners dick, herzlich, kindlich, verfressen wie je. Dabei in schlechter Vermögenslage, voller Haß auf die Kleinstadt u. die sklavische Gebundenheit an ihre Apotheke. Er ist als Jude verschrieen. Sie kamen Pfingstsonntag Mittag zu uns, unmittelbar vom Hochamt in der Hofkirche. Sein erstes Wort, vor der Begrüßung, unten am Gitterthor, strahlend: Das geht nicht unter, das siegt, dem können sie nichts anthun! Diese Fülle von Menschen, diese Hingegebenheit, dieser Glanz! Die Kirche, das Centrum, Victor! .. Und Scherner ist aus dem Priesterseminar entlaufen! –
    Er erzählte: In Falkenstein darf man nicht beim Juden kaufen. Also fahren die Falkensteiner zum Juden nach Auerbach. Und die Auerbacher ihrerseits kaufen beim Falkensteiner Juden. Zu größeren Einkäufen aber fährt man aus den Nestern nach Plauen, wo ein jüdisches Kaufhaus größeren Umfangs ist. Trifft man sich dort, so hat man sich nicht gesehen. Stillschweigende Convention.
    Brief von * Lotte Sußmann aus Bern, wo sie ihr Rigorosum ablegt (Sammlung Emigrantenbriefe.) Der Stil der Encyclopédie, das Versteckspiel mit der Censur in vollster Blüte. Ich bin so optimistisch .. ich möchte Euch etwas davon abgeben .. ich bin wirklich nicht * Couéistin ...[] Verbitterte Zeilen * Georgs aus Freiburg: Er könne meine Meinung (Bekenntnis zum Deutschtum, in meinem Lager ist Deutschland!, bestimmte Hoffnung auf baldiges Ende) durchaus nicht teilen. Er will im Somer mit * Frau 1 seinen * Sohn in England, dann seine * * * Kinder in USA besuchen. Nach USA ist jetzt auch * Felix Jüngster, 2 Mediziner gegangen. Wir wollen dort eine Klemperer = Kolonie bilden.
    * * Jelskis 3 auf der Durchreise nach Böhmen hier. Zermürbende, qualvolle aber vielfältig interessante Stunden. * Er, jetzt 67, ist in Pension gegangen, gebraucht Kur in Johannisbad. Ich hatte den Eindruck großer Senilität. Aus einer gewissen Oppositionslust u. einer kindischen Freude an abgeklärter Objektivität sympathisiert er einigermaßen mit * H. Er habe doch für das Volk als Ganzes Großes geleistet, er sei ein Dämon – natürlich, die Rassenidee sei falsch, aber die Juden seien nicht ohne Schuld. * Marta ihrerseits beinahe rasend vor Haß. Schwelgerische Phantasien: sie müßten am Galgen hängen und im Vorbeimarsch müßte man auf die Hängenden einschlagen. Ich kann mir nicht helfen: sie ist hysterisch, aber in diesem Fall hat sie kaum unrecht. – Einmal hatten sie bei sich Haussuchung, ihr Jüngster, * Willy, Anfang 20, steht den Communisten nahe. Sie ist nach Prag gefahren, ob sich dort für ihn die Möglichkeit einer Stellung u. eines nationalökonomischen Studiums bietet. Helfen soll ihr dort ihre alte Freundin, mit der sie sich immer wieder aufs gräulichste um Geldsachen zankt, worauf die Freundschaft neu anhebt – o glückliches Pack! –, * * Freudenheim/Bloch , 1 die Zahnärztin, die schon 1904 von * Eva allzu unverschämte Preise nahm. Die Bloch ist aufopfernde Frau u. Pflegerin des * marxistischen Autors (Revisionisten), der nach Prag floh. Sie hat ihre Praxis aufgegeben, in Prag eine neue gegründet, sorgt für ihn. – Beinahe humoristisch scheint sich * Walters Schicksal zu gestalten. Er hat in Jerusalem durch * Edgar Kaufmanns Vermittlung

Weitere Kostenlose Bücher