Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
Vom Netzwerk:
hatte. Sie packten mich ungeheuer. Eine solche Prophetie! Die Folgen der Naturphilosophie (der Stallfütterung) Für alle meine Arbeiten zu benutzen. Übrigens, in der italienischen Presse steht nun auch das französische Lied; die Deutschen streiften die lateinische Kultur ab, u. der germanische Barbar kome zum Vorschein. –
    Arbeit für mich: * Brandes * Voltaire, sehr schwankend zwischen Wert u. Unwert. Vorlesen, auf * Annemaries Rat, die geradezu homerische Gute Erde von * Buck . 2
     

 
    Donnerstag 2. 8. Vorm ½12 .
    * Blumenfeld telephoniert, seine * Frau telephoniere ihm eben aus der Stadt, daß * Hindenburg um 9 Uhr gestorben ist. Ein wenig wie beim Tode des alten * Franz Joseph. 3 Längst nur noch ein Name u. doch ein letztes Gegengewicht, das nun fällt. So mag es auch das Volk auffassen. Gestern Abend noch sprach ähnlich (dem Sinn nach) der Steuersekretär * Schmidt oben in Dölzschen. Er sagte: H. mußte ihm doch Vortrag halten. Ich: Selten, u. nur zum Schein, in Wirklichkeit regiert H. doch längst allein. Er: Das wohl – aber es ist doch immer noch der alte Herr dagewesen. Und seine * Frau: Er kann doch nicht beides sein, Praesident u. Kanzler. Zwei Ämter in einer Hand? Ganz einfache, arische, kleinbürgerliche Leute. Und der Mann bedrückt: er habe genug von seiner Wunde u. seiner langen russischen Gefangenschaft, er wolle keinen neuen Krieg. – Aber all das im Flüsterton, bedrückt, angstvoll, hilflos. Dies dürfte die Stimme des deutschen Volkes sein. –
    Gestern schon groß in den Zeitungen: die * * * Dollfußmörder seien – so wurden sie nicht genannt, sondern nur ihre Namen – seien aufrecht u. tapfer gestorben, einer rief: Ich sterbe für Deutschland, Heil Hitler u. immer wieder, Heil Hitler, bis ihm die Kehle zugeschnürt war. Das klingt ganz anders als das erste Zurückweichen. Fühlt sich * H. schon als alleiniger Herr, u. was beabsichtigt er nun? – – Es fällt mir so schwer, am * Voltaire zu arbeiten, wie vor 20 Jahren (2. August 1914!) am * Montesquieu. 1 Aber damals war ich enthusiasmiert u. heute bin ich schwer deprimiert.
    Am In einer Buchanzeige am Ende des Chinaromans der * Buck schlug mir gestern das Wort entgegen: Aufbruch einer Nation. Aufbruch![] Die Sprache des 3. Reiches begann lyrisch-ekstatisch, dann wurde sie Kriegssprache, dann glitt sie ins Mechanische-Materialistische.
     

 
    4 August Sonnabend Vorm.
    Zuerst hat uns das Geschehene, * E. fast noch mehr als mich, mit äußerster Bitte[rkeit] u. fast Verzweiflung erfüllt. Am 2/8. um 9 morgens stirbt * Hindenburg, eine Stunde später erscheint ein Gesetz der Reichsregierung vom 1. 8 : das Amt des Praesidenten u. des Kanzlers wird in * H. s Person vereint, die Wehrmacht wird sofort auf ihn vereidigt, und um ½ 7 Abends leisten die Truppen in Dresden den Eid, u. alles ist vollkomen ruhig, unser Schlächtermeister sagt gleichgültig: Wozu erst wählen? Das kostet bloß einen Haufen Geld. Der vollkomene Staatsstreich wird vom Volk kaum gemerkt, das spielt sich alles lautlos ab, übertönt von Hymnen auf den toten Hindenburg – ich möchte schwören, daß Abermillionen gar nicht ahnen, was für ein Ungeheures geschehen ist. – Eva sagt: Und solch einer Sklavenbande gehört man an. Abends, als ein Autoreifen kracht, wegwerfend: Es ist kein Schuß. – Auf die Reichswehr hatten wir immer gehofft, * Johannes Köhler hatte längst als verbürgtes Gerücht mitgeteilt, sie warte nur auf den bevorstehenden Tod Hindenburgs. Und nun schwört sie ruhig dem neuen Oberbefehlshaber der Wehrmacht.
    Aber gestern der Brief Hitlers an den * Reichsinnenminister: er sei auf verfassungsrechtlich gültige Weise mit seinen Ämtern betraut, aber alle wahre Macht müsse vom Volk ausgehen, u. so soll ein Plebiscit stattfinden. – – Seit wann betont er die Verfassungsmäßigkeit? Seit wann vereidigt man erst das Heer, u. läßt sich danach wählen? War das die ursprüngliche Absicht? Hat da alles geklappt? Und wie wird der 19. August ablaufen? 2 Es ist nicht mehr die Stimmung vom November vorhanden, u. Hindenburg ist tot. Vox populi: ich sage zum * Händler Kuske, man müsse ihn ja wählen, u. wenn auch nicht, wer zähle die Stimmen? Er: man kann weiß abgeben, u. wenn sie es auch nicht an die Öffentlichkeit bringen, so sehen sie es doch. – Jedenfalls: das Atom einer Hoffnung taucht doch aus dem Zusamenbruch, es ist nicht mehr endgiltig alles aus.
     

 
    7 August Dienstag Abend
    Am Sonnabend waren * * Kühns bei uns. Er sprach

Weitere Kostenlose Bücher