Klemperer, Viktor
sich erbittert über die dumme Demagogie[] * H.s aus. Er sagte, schon bei der * Röhmrevolte, sei es offenbar gewesen, daß eine Abmachung mit der Reichswehr vorliege. H. habe sich fraglos gebunden, rechts zu regieren. Das aber müsse ihn in kurzer Zeit in Conflikt mit den aufgesogenen Communisten bringen. Er, * Kühn, halte jetzt den Bürgerkrieg für bevorstehend u. unvermeidlich.
Dazu paßt nun aufs genaueste das heute inmitten des alles zudeckenden Getöses der * Hindenburg-Tannenbergfeier (mein väterlicher Freund – Tote schweigen) veröffentlichte Interview des Generals * Reichenau. 1 Wer ist das? Ein chinesischer General taucht auf. Er erklärt dem französischen Journalisten[,] H. könne sich auf die Reichswehr u. die Reichswehr sich auf ihn verlassen. Wann hat in Deutschland die Armee jemals so etwas betont? Sie macht als besondere Größe einen Gegenseitigkeitsvertrag mit einem usurpatorischen Staatsmann. So lang er ihr den Willen tut, wird sie ihn stützen. Gegen wen? Reichenau erklärt, Röhm habe die politische Armee der SA mit der Reichswehr verschmelzen wollen, H. habe versprochen das nie zu tun. – Pakt gegen links. Pakt gegen die Masse der ns. Partei. Pakt selbständiger Generale – China. Zu dem neuen Bündnis paßt es, daß in den Feierberichten von gestern u. heute die Prinzen wieder mal auftauchen. In der Loge sah man den ehemaligen * Kronprinzen, 2 den Gruppenführer * Prinz August Wilhelm 3 ..
10 August Freitag
Sprache des 3. Reiches, Befehl * H. anzureden: Mein Führer! (Mon Colonel. Ganz französisch!)
* Kühn erzählte neulich von * Holldack . Er sei zu ihm gekommen, feierlich, er wolle ihm etwas mitteilen. Nicht etwa der gegenwärtigen Ereignisse wegen u. um nicht Christ zweiter Klasse zu sein, sei er vom Protestantismus zum Kathol. übergetreten; sondern schon lange habe er das Wirken der Gnade gefühlt. Solche Fälle gebe es mehrere in seiner Familie. – * H. arbeitet an Dingen des kanonischen Rechtes, er hat katholische Beziehungen, er strebe, sagt Kühn, bewußt einen spezifisch katholischen Rechtsposten an. Was soll man erwidern, wenn sich einer auf die Gnade beruft? – Ich habe H. immer für absolut gesinnungslos gehalten.
Über die * Buck äußerte sich Kühn: sehr hübsch, aber eigentlich stehe nicht viel drin. Als Historiker dachte er zuerst an den jungen Revolutionär. Nun steht in dieser Novelle des 16jährigen Bauernjungen, der den Priestern entläuft, ohne alle Ahnung Revolutionssoldat wird, im Hospital mit ansieht, wie die fremden Teufel u. Christen seinen sterbenden Kameraden pflegen, u. nun wird er selber Arzt u. Christ werden u. seine Schwester mit ungebundenen Füßen Pflegerin – es steht da über die Revolution faktisch gar nichts drin, aber doch ungeheuer viel u. das Wichtigste, da es die kindliche Ahnungslosigkeit u den Primitivismus der Revolutionäre erschütternd schildert. Es ist nur eine Novelle neben dem breiten Bauernroman, aber für sich genomen wieder grandios. Besonders grandios durch die ganz schmucklose Simplicität im Sprachlichen u. Seelischen. – Wir quälen uns jetzt hinterher mit den Rebellen von * Alfred Neumann , 1 dem Mann des * Louis XI. 2 Wirklich, es ist quälend, diese verkünstelte Psychologie u. Sprache zu lesen. Dabei ist N. ein oft guter Erzähler, u. das Thema: Conspiration u. Mischung der Motive aus Nationalismus u. Privatem, Florenz 1830, Carbonari contra Granduca 3 u. Polizei, ist ungemein aktuell, d.h. heutigen Zuständen angepaßt (übrigens vor dem 3. Reich, 1927, geschrieben[)].
Sonnabend Vorm 11. 8.
Bis Ende Juli war das Leiden die Trockenheit. Bis zum späten Abend mußten wir sprengen, die Autokosten waren beträchtlich. Seit nun gebaut wird, ist unsere ständige Furcht der Regen. Er kann verzögernd wirken, u. am 1. X soll eingezogen werden. Bis jetzt hatten wir Glück. Letzten Sonnabend begann ein heftiges Gießen am Nachmittag – Arbeitsschluß am Sonnabend ist 1 Uhr – u. dauerte bis buchstäblich Montag früh. Danach blieb diese ganze Woche über die eigentliche Arbeitszeit (7–4) lan ganz von Regen verschont. Die Ausschachtung ist jetzt fast ganz geschafft, u. vieles von den Grundmauern steht schon. Heute soll Bauholz angefahren werden. Natürlich ist nicht sicher, ob wir bis zum 1. X fertig werden, u. natürlich fehlt es weder an Sorgen, noch peinlichen Zwischenfällen, noch unvorhergesehenen Kosten. Eine besondere Nervenbelastung bedeutet die dumme, wirre, taktlose u. aufgeregte * Frau
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