Klex in der Landschaft
»Ich habe mir fast gedacht, daß wir dich hier finden. Wie ungemein praktisch.« Unter seinem rüschenbesetzten Häubchen linste Sir Giles gehässig zu ihr hoch; sein Gesicht hatte die Farbe des Lakens, auf dem er lag, und seine Beine zuckten krampfhaft in der Luft herum. Praktisch! Praktisch! Das verfluchte Weib war total übergeschnappt. Gleich darauf wurde seine Vermutung zur Gewißheit.
»Sie können reinkommen, Klex«, sagte sie, »Giles hat sicher nichts dagegen.« Klex betrat das Zimmer. Er trug eine Kamera mit Blitzlicht.
»Und jetzt laß uns ein wenig plaudern«, sagte Lady Maud. »Was ist mit den Fotos?« fragte Klex. »Sollten wir die nicht zuerst aufnehmen?«
»Meinen Sie, er sähe es lieber, wenn erst fotografiert wird?« fragte sie. Klex nickte energisch, Sir Giles hingegen schüttelte den Kopf. Die nächsten fünf Minuten wanderte Klex im Zimmer herum und nahm aus jedem nur vorstellbaren Winkel Fotos auf.
Dann legte er einen neuen Film ein und machte ein paar Großaufnahmen. »Das reicht fürs erste«, verkündete er schließlich. »Wir haben wohl genug.«
»Das will ich meinen«, sagte Lady Maud und zog einen Stuhl neben das Bett. »Dann wollen wir mal unseren kleinen Plausch über deine Zukunft halten, mein Lieber.« Sie beugte sich vor und nahm ihm den Schnuller raus.
»Faß mich nicht an«, kreischte Sir Giles. »Ich habe überhaupt nicht vor, dich anzufassen«, sagte Lady Maud mit sichtlichem Widerwillen. »Daß ich es nicht muß, ist eine der wenigen Entschädigungen für unsere durch und durch unbefriedigende Ehe. Ich bin lediglich hier, um die Bedingungen festzulegen.«
»Bedingungen? Welche Bedingungen?« krächzte Sir Giles. Lady Maud kramte in ihrer Handtasche.
»Die Bedingungen für unsere Scheidung«, sagte sie und zog ein Schriftstück aus der Tasche. »Du brauchst bloß hier zu unterschreiben.«
Sir Giles musterte das Blatt verständnislos. »Ich brauche meine Lesebrille«, murmelte er.
Lady Maud setzte sie ihm auf die Nase. Sir Giles las das Dokument. »Du erwartest, daß ich das unterschreibe?« brüllte er. »Glaubst du etwa wirklich, ich werde dieses –« Lady Maud stopfte ihm den Schnuller wieder in den Mund. »Du unsägliche Kreatur«, zischte sie, »du unterzeichnest dieses Schriftstück, und wenn es die letzte Tat deines Lebens ist. Und das hier auch.« Sie wedelte mit einem anderen Blatt Papier vor seiner Nase herum. »Und das.« Noch eins. »Und das.« Auf dem Bett kämpfte Sir Giles verzweifelt mit seinen Fesseln. Nichts auf Gottes weitem Erdboden würde ihn dazu bewegen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem er offen zugab, seine rechtmäßige Ehefrau gewohnheitsmäßig betrogen und ihr die ehelichen Rechte verweigert, bei zahllosen Gelegenheiten Ehebruch begangen sowie sie sechs Jahr lang psychisch wie physisch gequält zu haben. Lady Maud las seine Gedanken.
»Als Gegenleistung für deine Unterschrift werde ich keine Abzüge der Fotos, die wir gerade aufgenommen haben, an den Premierminister, deinen Fraktionsvorsitzenden, an die Parteimitglieder deines Wahlkreises oder die Presse schicken. Du unterschreibst dieses Dokument, Giles, und du wirst dafür sorgen, daß die Autobahn innerhalb eines Monats gestoppt wird. Innerhalb von einem Monat, hast du mich verstanden? So lauten meine Bedingungen. Was sagst du dazu?« Sie entfernte den Knebel.
»Du widerliches Scheusal.«
»Ganz recht«, sagte Lady Maud, »du unterschreibst also?«
»Den Teufel werd’ ich tun«, schrie Sir Giles und wurde umgehend zum Schweigen gebracht.
»Ich weiß zwar nicht, ob du deinen Shakespeare kennst«, sagte sie, »aber in Eduard der Zweite ...« Seinen Marlowe kannte Sir Giles zwar auch nicht, aber über Eduard den Zweiten wußte er Bescheid.
»Klex«, sagte Lady Maud, »schauen Sie mal eben in der Küche nach, ob Sie einen –«
Doch Sir Giles nickte schon. Zur Zeit würde er alles unterschreiben.
Während Klex seine rechte Hand losband, kramte Lady Maud einen Füllfederhalter aus ihrer Handtasche. »Hier«, befahl sie und deutete auf eine gepunktete Linie. Sir Giles unterschrieb. »Hier« und »Hier.« Sir Giles unterschrieb und unterschrieb. Als er fertig war, beglaubigte Klex die Unterschriften. Dann wurde er wieder festgebunden.
»Gut«, sagte Lady Maud, »ich werde das Scheidungsverfahren umgehend einleiten, und du stoppst die Autobahn oder trägst die Konsequenzen. Und unterstehe dich, deinen Fuß je wieder auf meinen Grund und Boden zu setzen. Deine Sachen werden dir
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