Klick mich: Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin (German Edition)
den. Menschen, die strahlen vor Lust, Erregung und Liebe. Ich will keinen Sex mit Puppen. Genauso wenig will ich Sex mit Menschen haben, die mir komplett egal sind. Und ich will auch nicht mit Menschen zu sammen sein, die ihre Sexualpartner auf Löcher und Schwänze reduzieren. Ich will mich anerkannt fühlen, begehrt, bewundert, geliebt. Und genau das will ich auch sehen, lesen, hören.
Verrohen wir durch die Pornographie, den schnellen Sex, den bizarren Cybersex? Wieso sollten wir durch ausgelebte sexuelle Wünsche und Begehren verrohen? Jede Subkultur hat grundsätzlich das Recht auf Existenz. Alles kann Sex sein. Solange es freiwillig ist.
Dennoch ist die groteske Sexualisierung von allem(!) ein Problem. Wie die Tiere, die wir sind, drehen wir uns immer noch fast ausschließlich um Fortpflan zungsübungen, mit und ohne Fortpflanzung. Sex ist vollkommen überladen mit Erwartungen, Wünschen, Hoffnungen … Und die Möglichkeiten des digitalen Marktplatzes machen es noch schlimmer, die Vor stellungen noch verdrehter und die Angst vor echtem Sex größer, als sie es schon ist. Die Distanz zur echten Körperlichkeit wird größer vor dem Monitor. Muss ich so perfekt aussehen? Muss ich diese aufregenden Dinge tun? Muss ich das gut finden, was die da tun? Muss ich jeden Tag Lust auf Sex haben und bin ich unnormal, wenn ich nicht ständig masturbiere? Muss ich laut stöhnen? Muss ich alle Löcher zur Verfügung stellen? Muss ich immer wollen? Muss ich Buffering kennen?
Die allgegenwärtige Pornographie und Nacktheit im Netz schürt unfassbare Erwartungen der Benutzer. Und leider bleiben sie nur allzu oft genau das auch beim realen Sex: Benutzer. Sie benutzen sich und das Gegenüber, sei es aus Plastik oder befellt.
Dennoch ist Cybersex mehr als autosexuelles Ver halten. Cybersex ist eine eigene Form der sexuellen Begegnung. Schließlich habe ich ja einen aktiven Partner, auf den ich mich einstellen muss, der mich vielleicht auch zurückweist, wenn ich Grenzen überschreite. Das tut meine Gummipuppe nicht. (Auf der anderen Seite ist es auch leichter, meiner Gummipuppe zu sagen, dass ich sie liebe, denn ich entgehe dem Moment der Unsicherheit, wenn ich darauf warte, dass meine Liebe erwidert wird.)
Das Netz erleichtert es, mich selbst zu entdecken, auszuprobieren, die Erfahrungen kritisch zu reflektieren und doch mögliche Grenzüberschreitungen zu vermeiden, denn ich kann jederzeit den Stecker ziehen. Ich bin geistig enthemmt genug, mich und mein Begehren zu verstehen. Ich kann sogar selbst Pornographie herstellen und sie online platzieren, sodass andere mich beobachten können. Ich lebe mich sexuell aus, auch wenn ich alleine vor dem Monitor sitze. Anonymität hilft dabei sehr. Gleichzeitig ist in einer Welt, in der 6000 Kilometer nur noch bedingt ein Hindernis für Beziehungen sind, die Digitalität eine Notwendigkeit. Sie offeriert die Möglichkeit, sich sexuell besser kennenzulernen und geheime Vorlieben und Wünsche auszusprechen ohne große Gefahr, den anderen damit zu überrumpeln. Es gibt sogar Vibratoren, die über USB und Netz durch einen anderen gesteuert werden können. Telefonsexerweiterungsmaschinen. Auch deshalb sind Sachen wie der Staatstrojaner gefährlich: Sie machen nicht halt vor digitaler Intimität.
Liebe in Zeiten der Austauschbarkeit
tl;dr: Früher war nicht jede Liebe möglich, was nicht selten Leidenschaft produzierte. Heute ist alles erlaubt und deswegen beliebig. Man bastelt sich ein rosarotes Luftschloss zusammen und hat zu viele tragische Filme gesehen – das kann nur als Drama enden.
– Dieser Drang nach Anerkennung macht mich verrückt. Das ist eine Krankheit! Ich glaube, dass soziale Anerkennung in der Menschheitsgeschichte nie so eine starke Rolle gespielt hat wie heute.
– Ja, da hast du vollkommen recht. Vor allem bestimmt der Grad der Anerkennung den eigenen Selbstwert, die Selbstliebe. Dabei ist es so subjektiv, was Anerkennung ist!
Wir führen einen dieser Chats, der mich daran erinnert, wieso Maya und ich überhaupt befreundet sind. Während wir hochtrabend diskutieren, stelle ich mir das entschlossene Funkeln in ihren smaragdgrünen Augen vor, wie es aus ihrem hübschen, von dickem, aschblondem Haar eingerahmten Gesicht hervorsticht. Ich tippe:
– Viele verwechseln Anerkennung mit Begehren. Ich werde begehrt, also bin ich. Diese Verwertungslogik von Begehren und Zuneigung ist erschreckend. Entweder die Masse findet dich begehrenswert oder du bist wertlos. Entweder
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