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Klickpfiff

Titel: Klickpfiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Jon Watkins
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sehr er sich auch davon zu überzeugen versuchte, daß es nur noch kurze Zeit dauern würde – die Panik in ihm wuchs trotzdem. Stil l stand machte ihm Angst; nicht der Schmerz, sondern das Fehlen von Empfindungen.
    Die Panik steigerte sich, und er zuckte immer wilder hin und her, um sich zu befreien. Aber die Wale hielten ihn fest, und obwohl er das selbst nicht wußte, waren seine Verle t zungen so schwer, daß er auch nicht hätte wegschwimmen können, wenn sie ihn losgelassen hätten. Er war praktisch schon tot, obwohl er sich das nicht zugestehen wollte.
    Die Wale zerrissen ihn mit einer kalten, mechanischen Wut, die ihrer reinen unpersönlichen Bösartigkeit entsprang. Ihre Bewegungen waren präzise. Keiner kam dem anderen in den Weg, keiner verfehlte sein Ziel; keiner verpaßte es, eine neue Wunde an diesem Körper aufzureißen, an dem kaum noch ein Stück Oberfläche unbeschädigt war.
    Sein Gesicht wurde von einem harten Flossenschlag g e troffen, der seinen Unterkiefer zerschmetterte. Er glitt in die Bewußtlosigkeit, wehrte sich aber verzweifelt dagegen, selbst wenn das Bewußtsein für ihn nur noch mehr Schmerz bedeutete. Aber für immer konnte er ihr nicht ausweichen. Er spürte den nächsten Schlag, und dann war er völlig allein, leerer als er es je vorher gewesen war; kälter, verzweifelter, blind, taub, unfähig zu hören, fühlen oder zu schmecken, allein in der Lage, das langsame Verrinnen der Zeit zu sp ü ren.
    Dunkelheit, Kälte, Einsamkeit, keine Charakteristiken, sondern Essenzen.

29
     
    Pearsons Bewußtsein hing bewegungslos, schwebend; nicht Selbst, nicht Delphin, nicht Mensch. Es gab nichts zu tun, als zu warten; und während des Wartens gab es nichts zu tun. Und er wartete. Scheinbar ewig. Und dann wartete er weiter. Langsam, wie eine Lähmung, kroch etwas an ihm hoch, was schlimmer war als die Kälte und die Dunkelheit und der Verlust der Empfindungen Langeweile. Sie zerdeh n te die Zeit und verwandelte sie in eine Qual. Er versuchte es mit seinen Erinnerungen, aber die wirklichen Gefühle waren verblaßt, und alles, was er erreichte, war ein Platz und ein Ereignis, aber nichts, was er wirklich fühlen konnte.
    Die Zeit zog sich so sehr in die Länge, daß es den A n schein hatte, sie habe angehalten, sei zu Stein geworden. Weiter wartete er. Er war außerhalb des Körpers, und er schien für immer draußen zu sein. Nichts kam, kein neues Bewußtsein. Weiter ging es und immer weiter. Das Nichts dauerte an, schlimmer als das Nichts, weil das Nichts weni g stens kein Bewußtsein seiner selbst hat. Seine Zeit außerhalb des Körpers dauerte an und an und an und an und an, ohne Ende in ihrer gleichförmigen Monotonie. Ewige Gleichfö r migkeit. Raum ohne Bewegung, ohne Zeit.
    Dann veränderte sich die Dunkelheit plötzlich.
    Es gab noch immer wenig zu sehen und wenig, womit er fühlen konnte, aber etwas wuchs, er wuchs, und bald wußte er, daß er eine Form hatte, eine physische Existenz. Ein dumpfes Zucken erfüllte seine flüssige Welt, seine leicht fließende Welt aus Gelatine. Sie hatte nicht viel zu bieten, aber nach der vollständigen Leere der Körperlosigkeit war es wie ein Fest von Empfindungen. Seine Schwanzflosse brach zuerst hinaus in das Wasser, und das Erschauern, das dieses Gefühl durch ihn hindurchschickte, war fast die Ewigkeit außerhalb des Körpers wert. Er spürte die Grenze zwischen seiner Mutter und dem Wasser mit einem köstl i chen Gefühl des Widerspruchs. Endlich glitt sein Kopf in die Freiheit, und er verließ eine Welt und betrat eine andere durch eine Tür von Fleisch. Alles, was er je empfunden ha t te, ergoß sich über ihn, als er wie ein Schiff beim Stapellauf ins Wasser glitt. Hinter ihm schloß sich die Tür lautlos.
    Das überwältigende Gefühl war nach so langer gefühlsl o ser Zeit fast unerträglich. Er wollte alles auf einmal spüren; seine Augen, Ohren, Zunge, seine Haut, sie alle schienen leer zu sein und verlangten danach, angefüllt zu werden. Er schwenkte seine Flossen und hob sich wie ein Fahrstuhl zur Oberfläche, wo er die kühle Luft darüber einsog, als seine Stirn sie durchbrach. Seine kleinen Lungen füllten sich wie eine Geldbörse. Langsam wurde sein Körper länger, stärker und reifer, bis er mühelos und voller Selbstvertrauen am ä u ßeren Rand des Rings um Brummschrei schwamm.
    Klickpfiffs Lied bildete im Bewußtsein des Delphins, der Pearson war, das Bild der Mörderwale und des Restes jenes Wesens, das zwischen den Sternen

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