Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Korb voll mit reifem Obst, um eingesammelt zu werden.
    Außerdem hatte sie ihn »Stenrei« genannt, und das kam nach wie vor nur äußerst selten vor.
    Er gab sich also einen Ruck und folgte ihr umständlich durch ein Gewirr von Frauenbeinen. Sämtliche Damen quiekten, als er sie berührte. Alles im Inneren war zum Zerreißen gespannt.
    Draußen war es ganz anders als drinnen. Frischer. Offener. Grün. Wogend vom Wind bewegt. Gefährlich. Voller sich immer wieder bildender und verwerfender Schatten. Unüberschaubar.
    Erenis kletterte gerade nach droben und untersuchte die drei Männer.
    »Kann einer der Herrschaften eine Armbrust oder einen Bogen bedienen?«, fragte sie.
    Von drinnen kam die Stimme des alten Grafen Debrevi. »Eine Armbrust traue ich mir noch zu, das wäre ja gelacht. Sofern ich sie auf den Fensterrahmen abstützen kann …«
    »Hier, nehmt. Vorsicht, sie ist geladen.« Erenis reichte sie ihm von oben hinein. Aus dem Inneren war Rascheln, Ächzen und wieder Quieken zu hören, als der Graf sich am Fenster einrichtete.
    »Und der Bogen?«, fragte Erenis.
    Niemand antwortete.
    »Stenrei? Traust du dir zu, die Pferde in Gang zu bringen und auch unter Kontrolle zu halten?«
    »Eins vielleicht, aber nicht sechs auf einmal«, gab Stenrei kleinlaut zu. Seine Stimme war alles andere als fest und männlich. Er stand mit beidhändig erhobenem Schwert an der Kutschentür und versuchte gleichzeitig nach allen Seiten und nach oben zu spähen. Sogar nach unten schaute er mehrmals, denn wer konnte wissen, ob die Feinde sich nicht eingegraben hatten? Niemand in der Kutsche hatte gesehen, wer sie überhaupt angegriffen hatte.
    »Ich kann mit Pferden umgehen. Mein früherer Mann hatte welche.« Das war die Stimme der rundlichen Dirne, die während der ganzen Reise bislang kaum zu vernehmen gewesen war.
    »Und eine Kutsche? Könnt Ihr eine Kutsche lenken?«
    »Ich habe öfters einen Zweispänner gelenkt. Ein Sechsspänner wird nicht so sehr verschieden sein.«
    »Dann müsst Ihr Euch aber hier herauswagen. Stenrei und ich versuchen Euch nach Kräften zu beschützen.«
    »Gut.« Sie nestelte sich an den anderen vorbei ins Freie. Die meisten dort drinnen befürchteten, mit jeder Bewegung den Stillstand auf- und das Wüten der Feinde auszulösen.
    Die Dirne enterte mit Erenis’ Hilfe auf den Kutschbock auf. Die Klingentänzerin hatte unterdessen die Leiche des Kutschers nach hinten zu den anderen gewuchtet und den Kutschbock dadurch freigeräumt.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte Erenis sie.
    Das käufliche Mädchen schlug verlegen die Augen nieder. »Elirou«, flüsterte sie und nahm umsichtig auf dem verunreinigten Kutschbock Platz. Die Pferde spürten die Fremde hinter sich und begannen sich zu verheddern.
    Aber nach wie vor griff niemand die Kutsche an. Das war seltsam. Warum sie zum Stehen bringen und Blut vergießen, wenn man gar nichts damit vorhatte? Mindestens die Pferde waren wertvoll. Der Schmuck der Damen. Die Damen selbst. Die Waffen der Angeheuerten. Aber gerade die hatte der Mörder nicht mitgenommen.
    Durch den Wald ringsumher lief ein Trillern. Es schien sich im Kreis um die Kutsche herumzubewegen wie das schnellste Tier aller Zeiten. Oder es kam von überall, nur zeitversetzt.
    Stenrei spürte, wie ihm die Eingeweide schwer wurden.
    »Sie kommen!«, keuchte der alte Graf, und seine Stimme verriet fast so etwas wie Kampfeslust.
    Elirou hatte alle Mühe, die Pferde auseinanderzuhalten. Sie musste mit ihnen reden, sich vorbeugen, gleichzeitig aber auch die Zügel straffen, mäßigen und anleiten. Ihre Stimme sang über alles hin, während Erenis mit erstaunlicher Mühe den Dorn aus dem Leichnam zerrte und diesen von dem Loch im Dach wegzog, damit sein Blut nicht mehr nach drinnen tropfte. Durch das Loch drangen Gebete, jetzt mehrstimmig, jetzt auch mit männlicher Beteiligung, wie feinster Rauch.
    Stenrei bemerkte plötzlich, dass er der Einzige war, der draußen auf dem Boden stand.
    »Fahrt bloß nicht ohne mich los!«, forderte er bebend.
    »Wir können noch nicht fahren«, antwortete Erenis.
    »Warum nicht?«, fragte Elirou. »Ich könnte es jetzt versuchen. Innerhalb kürzester Zeit würden wir ziemlich schnell sein.«
    Erenis schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was sie vorhaben. Ich weiß nur eines: Sie können uns am Fliehen hindern, indem sie die Pferde angreifen oder beschießen. Falls sie die Pferde töten, falls auch nur eines von ihnen im Geschirr zusammenbricht und alle anderen

Weitere Kostenlose Bücher