Klingenfieber: Roman (German Edition)
durchbohrte sie, musste ihn dann mit sich drehen, bis die Klinge sich gelöst hatte, damit der erste sie nicht treffen konnte. Das war ein eigentümliches Tanzen. Vor, zurück und ringsherum. Ihr fiel fast eine Melodie dazu ein.
In diesem Wald ging alles dicht daneben.
Sie stieß vor. Traf. Es reichte noch nicht. Noch mal. Jetzt hatte sie vier.
Wie viele noch? Reichte das für die Bresche? Womöglich ja, denn sie hatten keine Armbruste.
Hinter ihr klackte die Armbrust des Grafen.
»Verflucht, daneben!«, quengelte seine Greisenstimme.
Männer. Selbst wenn man ihnen alles einrichtet, verfehlen sie noch immer.
Alles in diesem Wald ging knapp vorbei.
Sie rannte weiter, jetzt wieder nach links, dann den Weg kreuzend, und auf der anderen Seite erneut ins Unterholz. Vier auf der linken Seite. Wenn sie rechts auch vier wegräumte, müsste der Weg eigentlich frei genug sein. Frei nicht nur von Pfeilen und Bolzen, die es gar nicht gab, sondern frei von jeglichen Versuchen.
»Erenis!«, gellte der Junge.
Sicherlich hatte er nicht sofort gerufen. Er versuchte doch immer, einen so erwachsenen Eindruck zu machen. Er hatte gewartet und gewartet, bis die Not nicht mehr zu ertragen war, und dann erst hatte er sie um Hilfe ersucht. Sie hörte sein Schwert, das gegen Axtstein schlug. Schlecht. Schlecht für die Klinge.
Auf dieser Seite waren sie also schon an ihm dran. Sie würde im Holz vielleicht keine mehr finden. Aber sie rannte weiter. Nicht zu ihm, zu Klinge gegen Axt. Sondern parallel. An der Kutsche vorüber von hinten nach vorne. Suchend.
Da! Zwei! Nein, drei!
Dieses Übersehen des Dritten kostete sie um ein Haar das Leben. Aber sie tat ja nie etwas anderes als Kämpfen. Ihr Leben bestand aus nichts anderem. Ihre Reflexe, jeder Schritt, selbst die Bewegung ihres Bauches beim Einatmen, war auf das Gewinnen eines Kampfes ausgerichtet. Auf das Überleben in einer Begegnung auf Leben und Tod.
Die Axt streifte ihren Kopf, löste ihr Haar komplett zu irrlichternden Strähnen.
Sie befreite sich, schlug um sich, tanzte jetzt.
Ein Gedanke fand in ihrem Inneren Zeit: Indem sie die drei hier bezwang, hielt sie dem Jungen den Rücken frei. Er musste nur durchhalten. Nur durchhalten, bis sie bei ihm war. Diese drei waren eine zweite Welle, die ihn unweigerlich getötet hätte.
Sie traf. Wich aus. Drehte sich im Sprung. Schlug hinter sich vor der Landung. Traf erneut. Es ging schnell. Musste schnell gehen. Klingentanz war kein Spiel auf Zeit. Klingentanz war ein Fieber, das aufloderte, an sich riss und dann verebbte. Wie der Brand einer ganzen Schule.
Zwei fielen.
Der dritte Waldmann, der, den sie zuerst übersehen hatte, war ihr gefährlichster Gegner seit geraumer Zeit. Seit Ilehu Wiftin aus Entlengs. Dass sie diese Namen, diese bedeutungslosen Silben nicht schon längst vergessen hatte. Wahrscheinlich, weil sie mit dem Jungen mehrmals darüber ins Gespräch gekommen war.
Der Waldmann schien ihre Bewegungen zu lesen und zu verstehen und war ihnen allen immer um den Bruchteil eines Lidschlags voraus.
»Erenis!«, schrie Stenrei noch einmal, und es klang bereits wie ein Schmerzensschrei.
Der Waldmann hielt sie hin !
Bis seine Brüder/Axtbrüder/Blattwerksbrüder Stenrei und die Kutsche bezwungen hatten, hielt er die Klingenschwester hin.
»Erenis! Erenis!«
Sie verdoppelte ihre Anstrengungen, und dann, weil sie sich sonst zu berechenbar machte, halbierte sie sie plötzlich. Der Waldmann fiel darauf herein und parierte einen Hieb, der gar nicht kam. Dadurch entstand eine Lücke in ihm, in jenem grünlichen Gebrodel, das sein Wesen ausmachte. Erenis tauchte in diese Lücke wie ein schmaler Fisch. Sie schürfte Blut mit ihren Kiemen.
Als sie sich umwenden wollte, stand ein vierter hinter ihr, und einer der beiden anderen mühte sich auch noch einmal auf die Beine. Der vierte hatte Blattwerk im Gesicht, keine Malereien diesmal, sondern Blätter verschiedener Bäume, zu Mustern festgeklebt oder vernäht. Sein Mund schwieg, aber seine Augen und das stramme Röhrchen vor seinem Körper wollten sie pfählen.
Sie bewegte sich seitlich, sodass ihre gelösten Haare ihr ganzes Gesicht verdeckten. Dann noch mal seitlich. Er schlug zweimal sehr hart zu, zweimal rauschte die Luft dicht an ihr vorbei. In diesem Wald war alles ein Verfehlen.
Sie trat den sich Aufrichtenden wieder zu Boden. Stenrei war ganz verstummt. Der vierte war hartnäckig, kräftiger und größer als die anderen. Fast so gefährlich wie der dritte, aber nur
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