Klingenfieber: Roman (German Edition)
Hände zitterten jedoch noch immer ein wenig, wenn er an die Momente dachte, als der grüne Mann aus dem Wald auf ihn zukam, die Axt und dieses hässliche Röhrchen erhoben.
Sie erreichten die nächste Station, die neunte von elf. Dort gab es große Aufregung. Sehr vieles musste gleichzeitig getan werden. Die Route durch die Wälder wurde als »nicht mehr sicher« deklariert und entsprechende Anweisungen mussten per Reitbote auf einem Weg, der die Wälder mied, in die Hochstadt gesandt und auch wieder zurückempfangen werden. Die Kutsche wurde als »nicht mehr zumutbar« deklariert und den Reisenden eine andere zur Verfügung gestellt, die ein wenig kleiner war, sodass auch Stenrei und Elirou sich anboten, mit Erenis auf dem Dach zu fahren. Ein neuer Kutscher wurde aus einem der umliegenden Dörfer angefordert. Dass immerhin den Pferden nichts passiert war, wurde mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, denn Pferde waren in dieser Gegend, die den Offenen Ländern schon sehr nahe war, schwerer zu ersetzen als Angeheuerte, die »ihre Geschosse ausführten«. Der Stationswart bot an, neue Fernwaffensöldner anzumieten, aber in dieser Hinsicht wurde nun Erenis befragt. Die Reisenden vertrauten in Sicherheitsfragen inzwischen am ehesten ihr, der vorher so »Aufreizenden« und »Sperrigen«. Erenis sagte, dass weitere Leute auf dem Dach unnötig platzraubend seien. Der Graf hätte die Armbrust, und Stenrei könnte sich mit dem Bogen üben. Das sollte in den Offenen Ländern, die eine weithin einsehbare Steppe waren, die langsam in Wüste überging, genügen.
Die drei Toten wurden bestattet. Es gab dafür ein von der Kutscheninnung vorgesehenes Ritual. Der Kutscher war ein langjähriger, verdienter Mann gewesen, er wurde mit den Insignien seiner Zunft, Gerte, Zügelwerk und Zucker, in ein geräumiges Grab gebettet. Sein Gesicht war dabei verhüllt. Das war nicht Teil des Rituals, sondern war aus Rücksicht auf die anwesenden Frauen aufgrund seiner entstellenden Gesichtsverletzung für ratsam befunden worden. Der Stationswart sprach ein paar ungelenk salbungsvolle Worte, die Tempelschwester leierte Gebete, als wäre sie ein endloser Quell immer neuer Variationen von Glaubensbekenntnissen. Die Angeheuerten wurden links und rechts des Kutschers beerdigt, als würden sie ihn noch immer bewachen, obwohl sie, wie Weinhändler Loso bissig bemerkte, darin wohl nicht besonders talentiert gewesen waren.
Nach einer Nachtruhe ging die Reise weiter. Schon jetzt war abzusehen, dass Brendin Grya erst einen Tag vor Beginn der Festspiele erreicht werden würde, nicht – wie ursprünglich im Reiseplan vorgesehen, und wie für die Geschäftsleute unter den Passagieren vorteilhafter – bereits zwei Tage vorher.
In der Morgendämmerung fand Erenis Stenrei, der mit dem Bogen auf einen alten Hafersack schoss, den er im Stall gefunden hatte.
»Geht es?«, fragte sie ihn.
»Alles lässt sich lernen«, antwortete er.
Da sie merkte, dass er kurz angebunden war, wollte sie schon zur Kutsche weitergehen, um sich auf dem Dach ein gemütliches Plätzchen zu basteln, als er sie ansprach.
»Erenis?«
»Ja?«
»Wenn ich teilnehmen wollte … an diesen Festspielen, meine ich – würdest du mich auslachen?«
»Ich kenne diese Spiele nicht und weiß nicht, wie sie organisiert sind. Gegen jemanden wie Hektei anzutreten würde ich dir auf keinen Fall raten. Wenn es aber andere Wettkämpfe gibt, wo vielleicht auch Menschen antreten, die nicht ihr ganzes Leben nur dem Kämpfen gewidmet haben – warum nicht? Du hast jetzt immerhin schon einen Ernstfall erlebt. Das kann nicht jeder von sich behaupten.«
»Mein Alter wäre ein Problem. Würdest du den Anmeldeleuten gegenüber bestätigen, dass ich schon erwachsen bin?«
Sie lächelte. »Da ich weiß, dass es eine Lüge ist, würde ich es bestätigen.«
Er blinzelte angestrengt. »Und wenn du antreten würdest? Gegen Hektei?«
»Früher konnte ich sie bezwingen. Aber ich weiß nicht, was sie inzwischen alles gelernt hat. Es ist schwer zu sagen. Sie kämpft vielleicht gegen stärkere Gegner als ich in den Dörfern. Aber dafür sind meine Gegner vielseitiger. Überraschender. Wir werden sehen.«
» Willst du gegen sie antreten?«
»Nein. Ich will gegen meine Schwestern nie mehr kämpfen müssen. Ich habe meine ganze Jugend damit verbracht, mich mit ihnen zu messen.«
»Aber gegen deinen Lehrer willst du kämpfen.«
»Das muss ich. Damit meine Schwestern und ich endlich frei sein können, muss
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