Klingenfieber: Roman (German Edition)
aufging, dass er auf seinen Sieg tatsächlich stolz sein konnte, weil niemand – auch nicht Erenis – ihm dabei geholfen hatte. »Jetzt hast du es dir verdient, das Schwert«, sagte sie in einem unbeobachteten Moment zu ihm, und er lächelte bleich, aber zufrieden, und verlagerte seinen Stand auf jene Seite, die die Waffe am Gürtel betonte. »Du wirst Albträume bekommen, denn du hast ihm dabei in die Augen gesehen«, sagte sie, um ihn wieder ein wenig auf den Boden zurückzuholen.
Da sagte er etwas, was sie erstaunte: »Die habe ich ohnehin schon. Aber bislang nur von einem, dem du den Kopf abgeschlagen hast. Jetzt habe ich wenigstens mein eigenes Schreckensgesicht.«
Wer aber hatte nun eigentlich den zweiten Kutschenwaldmann getötet?
Es war Frau Loso gewesen, ohnehin die Resolutere dieses Ehepaars. Als der Waldmann sich so weit hineingebeugt hatte, dass er die Schmuckkette der Gräfin befingern konnte, hatte die Weinhändlersgattin kurzerhand ein Obstmesser für Reiseproviant aus einem Handtäschchen gezogen und dem Wilden damit von unten mit drei ungestümen Schnitten den Hals aufgetrennt. Der Waldmann hatte danach zu zucken und zu sprühen begonnen und wie verzweifelt versucht, den Damen an die Busen und an die Röcke zu greifen. Herr Loso hatte sich übergeben, die Gräfin hatte angefangen zu weinen, ihr Mann hatte erst einen Husten- und dann sogar eine Art Herzanfall erlitten. Und überall das viele Blut. Von oben durch das Dach und von der Seite, von dem im Fenster Sterbenden.
Es musste entsetzlich gewesen sein. Über allem schwebend die unablässigen Litaneien der Tempelschwester, die schließlich die Hände des Verendenden genommen und sie gehalten hatte, bis er tot im Fenster abwärtssank.
Die Dirne Elirou war jetzt die Einzige von ihnen allen, die nicht mit Blut besudelt war. Erenis hatte reichlich abbekommen, Stenrei ein wenig, und alle in der Kutsche Verbliebenen sahen aus, als wären sie mit im Trocknen unablässig rostbrauner werdender Farbe beworfen worden.
Sie wuschen sich in einem Flusslauf.
Sie beschlossen, die drei Toten nicht zu begraben, sondern auf dem Kutschendach zur nächsten Station zu bringen. Beschlossen weiterhin, dass Elirou bis dahin kutschieren und Erenis auf dem Dach Wache halten sollte.
Man kümmerte sich um den Grafen, der sich langsam wieder erholte, um Frau Carelamadon, die bald wieder zu sich gekommen war, und säuberte gemeinsam das Innere der Kutsche, damit es vor allem nicht mehr so nach Erbrochenem stank. Die Gräfin weigerte sich weiterzufahren, weil »der widerwärtige Gestank« noch immer allem anhaftete, wurde aber von Frau Loso und Frau Carelamadon ermahnt und ermutigt.
Der Graf, als er wieder einigermaßen reden konnte, wollte Erenis sprechen.
»Ist mit ausgesprochen unangenehm, dass ich verfehlte.«
»Schwamm drüber«, sagte sie. »Ist ja noch mal gut gegangen.«
»Das wäre nicht passiert, wenn meine Frau sich nicht zu mir gebeugt hätte, um mir den Schweiß abzutupfen. Dadurch geriet die Kutsche ins Schwanken. Aber ich will mich gar nicht entschuldigen wie eine laue Person. Wie viele Gegner habt Ihr bezwungen, Verehrteste?«
»Ich weiß es gar nicht mehr genau. Sechs oder sieben.«
»Wir stehen alle in Eurer Schuld. Ich sage es hier, sodass jeder es hören kann: Das Geschlecht der Debrevi steht in Eurer Schuld.«
»Wie ich schon sagte: Schwamm drüber. Außerdem habe ich nicht alleine gekämpft. Stenrei und die Weinhändlersfrau haben ebenfalls das Ihrige dazu beigetragen. Und ohne Elirou wäre keiner von uns lebendig da wieder rausgekommen.«
»Das mag wohl stimmen.«
Jetzt verlagerte sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf die pummelige Dirne, der das alles ziemlich peinlich zu sein schien. Sie kokettierte jedoch nur. In Wirklichkeit genoss sie es, dass die ganzen vorher naserümpfenden Persönlichkeiten in ihr nun eine Heldin sahen.
Die Fahrt ging weiter.
Der Graf bestand darauf, mit neu geladener Armbrust am Fenster »sein Geschoss auszuführen«, obwohl weit und breit kein neuerlicher Gegner mehr in Sicht kam.
Erenis blieb weiterhin auf dem Kutschendach, auch, aber nicht nur, wegen des nach wie vor unangenehmen Geruches im Inneren. Die ganze Reise über wäre es ihr deutlich lieber gewesen, obenauf zu fahren. Aber es hatte dort vor dem Überfall einfach zu viele Männer gegeben.
Stenrei blieb innen und genoss es, von der hübschen Frau Carelamadon und auch der Gräfin mit dankbaren und bewundernden Blicken bedacht zu werden. Seine
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